Juni 2018

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Übergewicht: Sport senkt Herz-Kreislauf-Risiko – auch ohne Gewichtsabnahme

Ein tägliches kurzes, aber intensives Training kann bei Menschen mit Übergewicht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen um bis zu 20 Prozent verringern.

Eine übergewichtige Frau beim Nordic Walking

Wer täglich sieben bis acht Minuten ins Schwitzen kommt, reduziert sein Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und Diabetes bereits um 20 Prozent.

runzelkorn/AdobeStock

Übergewicht geht fast immer mit kardiovaskulären Risikofaktoren wie Bluthochdruck und einem gestörten Fett- und Zuckerstoffwechsel einher. In der Folge kann es zu Ablagerungen in den Herzkranzgefäßen kommen – es droht eine koronare Herzkrankheit mit Herzinfarkt. Gleichzeitig wird auch der Herzmuskel direkt geschädigt, wodurch Vorhofflimmern begünstigt wird und sich eine Herzschwäche ausbilden kann. Ursächlich hierfür sind Entzündungsstoffe aus dem Fettgewebe.

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Ziel der sogenannten Primärprävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist es, Risikofaktoren zu minimieren. Dies kann durch Lebensstiländerungen oder durch Medikamente erfolgen. Im Falle des Übergewichts gibt es einen eindeutigen Zusammenhang mit dem Lebensstil: Nehmen Übergewichtige ab, sinkt ihr Blutdruck, und auch der Stoffwechsel verbessert sich. In der Folge wird eine Herz-Kreislauf-Erkrankung weniger wahrscheinlich.

Die Belastung der Muskeln hilft nicht nur, überschüssige Kalorien leichter zu verbrennen, sondern setzt auch eine Reihe von hormonellen Vorgängen im Muskel in Gang, die der Produktion von schädlichen Entzündungsfaktoren im Fettgewebe entgegenwirken.

Prof. Dr. Martin Halle

Menschen mit Übergewicht können aber auch durch körperliches Training auf ihre Risikofaktoren einwirken. Hierfür ist nicht einmal eine Gewichtsabnahme notwendig. Professor Martin Halle, Sportkardiologe an der Technischen Universität München und Wissenschaftler im Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK), untersucht diese Zusammenhänge: „Wir wissen aus zahlreichen Studien, dass bereits ein Mindestmaß an körperlicher Aktivität die schlimmsten Folgewirkungen der Adipositas mildern und im günstigsten Fall sogar verhindern kann“, sagt er. „Wer täglich sieben bis acht Minuten zügig spazieren geht, reduziert sein Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und Diabetes bereits um 20 Prozent.“ Sind es täglich 20 Minuten, ließen sich innerhalb von Wochen ähnliche Effekte erzielen wie durch eine kontinuierliche Gewichtsabnahme von 20 Kilo in zwei Jahren.

Auch kurzes Training ist wirkungsvoll

Allerdings muss das Minimalprogramm wirklich zügig, also mit einer deutlichen Zusatzbelastung für das Herz und die Muskulatur, durchgeführt werden. „Ein einfacher Indikator dafür ist – sie kommen ins Schwitzen“, erläutert Halle. Nur dann wird das Herz-Kreislauf-System angekurbelt und die Muskulatur zur Ausschüttung von risikominimierenden Hormonen aktiviert. Zum anderen sollte dieses Programm auch wirklich täglich absolviert werden. „Wer das schafft, darf schon nach sechs bis acht Wochen mit einem deutlich verbesserten Muskelstoffwechsel, einer erhöhten Elastizität der Gefäße und einer wieder geringeren Steifigkeit des Herzmuskels rechnen.“

Die Empfehlungen erweitern die Leitlinien, die eine mindestens 30-minütige körperliche Aktivität dreimal pro Woche zur Senkung des kardiovaskulären Risikos empfehlen. „Ich bin davon überzeugt, dass die meisten Ratschläge und Regeln für eine gesunde Lebensführung an den Lebensrealitäten unserer Patienten vorbeigehen. Der Effekt ist bekannt: Dreimal in der Woche 30 Minuten joggen, das ist für die meisten Menschen nicht praktikabel, und sie lassen es letztlich ganz sein“, so Halle. Dass Bewegungseinheiten mindestens 30 Minuten dauern müssten, gelte in den meisten Fitnessprogrammen und Präventionsanleitungen als eiserne Regel. Halle aber meint: „Es ist höchste Zeit, mit diesem verbreiteten Irrtum aufzuräumen. Wir arbeiten im DZHK derzeit an gleich zwei großen Studien, die unter anderem zeigen sollen, dass sich schon mit wesentlich kürzeren Einheiten maßgebliche Verbesserungen der Herz- und Gefäßgesundheit erzielen lassen.“

Das Deutsche Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung

Im Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung, kurz DZHK, bündeln 28 universitäre und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen an sieben Standorten in ganz Deutschland ihre Kräfte, indem sie eine gemeinsame Forschungsstrategie verfolgen. Das vom Bundesforschungsministerium initiierte DZHK bietet ihnen einen Rahmen, um Forschungsideen gemeinsam, besser und schneller als bisher umsetzen zu können. Wichtigstes Ziel des DZHK ist es, neue Forschungsergebnisse möglichst schnell für alle Patientinnen und Patienten verfügbar zu machen und Therapien sowie die Diagnostik und Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu verbessern. Neben dem DZHK gibt es fünf weitere Deutsche Zentren, welche die wichtigsten Volkskrankheiten erforschen.

Mehr Informationen: www.dzhk.de

Übergewicht schädigt die Gefäße

Dass Übergewicht lebensgefährlich sein kann, hängt mit dem Energiekreislauf und dem Zusammenspiel von Muskulatur, Leber und Fettzellen in unserem Körper zusammen. Das Grundprinzip ist so banal wie bekannt: Führen wir dem Organismus mehr Energie zu, als wir verbrauchen, sammeln sich die überschüssigen Kalorien im Fettgewebe und überschüssiger Zucker und Fette in der Leber. Schon damit ist ein gewisses Risiko verbunden: Das Zuviel an Körperfülle belastet die Gelenke ebenso wie das Herz-Kreislauf-System, und die überlastete Leber wird in der Folge mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Diabetes begünstigen.

Zudem wird aber noch ein weiterer Schlüsselfaktor für unsere Gesundheit angegriffen: Die Gefäße sind für die gute oder schlechte Versorgung aller Funktionen und Organe im Körper zentral verantwortlich. Wird das Fettgewebe überstrapaziert, entstehen dort Entzündungsstoffe, die zu Gefäßveränderungen führen und das Risiko für kardiovaskuläre Krankheiten weiter erhöhen. Die Folgen reichen von einer reduzierten Belastbarkeit über Potenzstörungen bis hin zu einer Versteifung des Herzmuskels, was im schlimmsten Fall zu einer Herzinsuffizienz führen kann.

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Martin Halle
Poliklinik für Präventive und Rehabilitative Sportmedizin
Technische Universität München
Arcisstraße 21
80333 München
089 289-24431
Martin.Halle@mri.tum.de

Pressekontakt:
Christine Vollgraf
Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK)
Pressestelle
Oudenarder Straße 16
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