17.02.2023

Aktuelle Meldung

Den Informationsaustausch zwischen Klinik und Arztpraxis verbessern

Gute Kommunikation kann lebensrettend sein. Damit alle wichtigen Gesundheitsinformationen zwischen ambulanter und stationärer Behandlung übermittelt werden, brachten Forschende Professionen beider Bereiche mit Patientinnen und Patienten ins Gespräch.

Eine Gruppe Menschen sitzt um einen Tisch

Ihre Stimme hat Gewicht: Mitglieder des Patientenbeirats von SaxoForN im Gespräch mit Wissenschaftlerinnen

Anna von Oltersdorff-Kalettka

Meist sind sie die erste Anlaufstelle für Patientinnen und Patienten: In hausärztlichen Praxen werden Menschen behandelt und langfristig betreut, die an verschiedenen, oft auch mehreren Krankheiten gleichzeitig leiden. Kommen diese Patientinnen und Patienten ins Krankenhaus, müssen auch die dort behandelnden Ärztinnen und Ärzte möglichst vollständig über Gesundheitszustand und eingenommene Medikamente Bescheid wissen.

„Eine gute Kommunikation ist die Voraussetzung für eine gute Gesundheitsversorgung“, betont Dr. Jennifer Engler, Gesundheitswissenschaftlerin in Frankfurt und mitverantwortlich für die Pilotstudie HYPERION-TransCare. „Wichtige Informationen gehen aber häufig verloren oder werden nur unvollständig oder verzögert weitergeleitet.“ Ziel der Forschenden ist es deshalb, den Informationsaustausch zwischen Hausarztpraxis und Krankenhaus zu verbessern.

HYPERION-TransCare entwickelt und erprobt Verbesserungen bei Klinikeinweisung

Gemeinsam mit Hausärztinnen und Hausärzten, medizinischen Fachkräften, Patientinnen und Patienten sowie ambulanten und stationären Pflegekräften, Klinikärztinnen und -ärzten, Klinikapothekern und -informatikern erarbeiteten die Forschenden bei HYPERION-TransCare ein verbessertes Einweisungsmanagement. Dieses in interdisziplinären Workshops entstandene Dokument bündelt alle wichtigen Informationen über den Gesundheitszustand einer Patientin oder eines Patienten, soll schnell griffbereit und möglichst aktuell sein und von der Hausarztpraxis koordiniert werden. Auch das geschieht nicht über den Kopf der Betroffenen hinweg – Patientinnen und Patienten sollen maßgeblich in die Erstellung dieses Berichts eingebunden werden.

Umgesetzt wird dieser Ansatz im Verbund SaxoForN, einem transregionalen Netzwerk sogenannter Forschungspraxen. Fast 50 Hausarztpraxen in den Regionen Dresden und Frankfurt am Main beteiligten sich sowohl an der Pilotstudie HYPERION-TransCare als auch an der Erprobung des dabei erarbeiteten Einweisungsmanagements. Diese zweite Teilstudie wird aktuell ausgewertet.

Partizipation: Gesundheitsforschung gemeinsam gestalten

Das wichtigste Ziel medizinischer Forschung ist es, Krankheiten vorzubeugen und neue und bessere Wege zu ihrer Diagnose und Behandlung zu finden. Eine starke Gesundheitsforschung greift deshalb unterschiedliche Bedürfnisse auf und liefert praxisnahe, wissensbasierte Ergebnisse, die sich am tatsächlichen Bedarf ausrichten. Dazu heißt es im Rahmenprogramm Gesundheitsforschung: „Um besser verstehen zu können, welches Potenzial Innovationen in der Praxis haben können, müssen die Betroffenen einbezogen werden. Sie bringen zusätzliche Perspektiven und Expertisen in die Forschung ein. Dabei muss der gesamte Förderkreislauf in den Blick genommen werden – von der Programm- und Maßnahmenplanung über die Forschung selbst bis hin zur Verbreitung ihrer Ergebnisse und Evaluation.“

Mehrwert für die Forschung: Betroffene sind Expertinnen und Experten in eigener Sache

„Niemand weiß besser, was für Patientinnen und Patienten in der Hausarztpraxis wichtig und notwendig ist, als die Betroffenen selbst“, beschreibt Professorin Dr. Marjan van Akker, Projektleiterin bei HYPERION-TransCARE. Gemeinsam mit ihnen wurde beispielsweise ein Informationsblatt entwickelt, das in laienverständlicher Sprache zum Medikationsplan informiert und diesem beigefügt wird. Sowohl am Standort Dresden (SaxoN) als auch am Standort Frankfurt (ForN) wurde ein Patientenbeirat eingerichtet, der die Forschenden aus der Perspektive der Betroffenen berät. Damit dies auf Augenhöhe geschieht, werden Patientinnen und Patienten in Vorbereitungstreffen geschult und auf die Teilnahme an jährlich stattfinden Innovationsworkshops vorbereitet. Dort wird zum Beispiel diskutiert, welche Forschungsfragen aus Patientensicht relevant sind, was in daraus entstehenden Projekten besonders wichtig ist, was noch ergänzt werden sollte, was gut funktioniert oder noch nachgebessert werden sollte.

So wurden Patientinnen und Patienten in einem Workshop befragt, wann sie sich eine Therapie mit pflanzlichen Arzneimitteln wünschen – zum Beispiel bei Erkältungen, Magen-Darm-Problemen, Regel- und Kopfschmerzen. „Dieses Anliegen aus Patientensicht haben wir bei der Konzeption von künftigen Studien berücksichtigt, die Ergebnisse dieses Workshops waren mitentscheidend für die Ausrichtung weiterer Forschungsanträge“, sagt van den Akker.

„Für uns als Forschende ist dieser direkte Austausch mit den Betroffenen enorm wichtig“, bestätigt Dr. Karen Voigt, Wissenschaftlerin im Netzwerk SaxoN, „wir lernen von den Patientinnen und Patienten, wenn wir ihre ganz realen Probleme und Alltagsanliegen besser verstehen“. Forschung, die Betroffene außerdem auch mit medizinischen Fach- und Pflegekräften zusammenbringt, bietet für Projektleiterin van den Akker noch einen weiteren Mehrwert: „Ein interprofessioneller, partizipativer Ansatz wie bei HYPERION-TransCare hilft, dass die entwickelten Maßnahmen später auch in der Breite getragen werden – von den Patientinnen und Patienten, aber auch von den Fachkräften im ambulanten und stationären Bereich“.

Ambulante Forschungspraxen

Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte stärker in die klinische Forschung einzubeziehen, ist in der Forschung oftmals noch Neuland, soll aber durch die Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gestärkt werden. Weil hausärztliche Praxen für viele Menschen die erste Anlaufstelle sind, fallen dort auch wertvolle Daten zu unterschiedlichen Krankheiten an. Um diese für die Gesundheitsversorgung besser nutzen zu können, fördert das BMBF den Aufbau sogenannter allgemeinmedizinischer Forschungspraxennetze und einer übergreifenden Koordinierungsstelle. Mit der Maßnahme soll die Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten und ihren Praxisteams mit Universitäten beziehungsweise Universitätskliniken gestärkt werden. Langfristiges Ziel der Förderung ist es, klinische Forschung auch häufiger im ambulanten Bereich durchzuführen.