26.07.2023

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Hepatitis C: Gefährliche Langzeitfolgen frühzeitig vorhersagen und gegensteuern

Eine Infektion mit Hepatitis C ist heute gut behandelbar. Doch die Krankheit verläuft häufig chronisch und wird oft zu spät erkannt. Die Folge können schwere Leberschäden bis hin zum Leberkrebs sein. Ein Forschungsteam entwickelt ein digitales Frühwarnsystem.

Grafische Darstellung einer Leber, die von Viren umgeben ist.

Eine chronische Infektion mit Hepatitis-C-Viren kann die Leber langfristig erheblich schädigen.

Rasi /Adobe Stock 

Hepatitis C ist eine Krankheit, die sich oft im Verborgenen abspielt. Ein Großteil der Betroffenen zeigt nur unspezifische Symptome wie Müdigkeit und verminderte Leistungsfähigkeit. Eine Infektion bleibt daher in der Regel unerkannt.  Bei rund 70 Prozent der Patientinnen und Patienten verläuft die Krankheit chronisch. Die Hepatitis-C-Viren schlummern dann nicht selten jahrzehntelang im Körper – und können dort verheerende Schäden anrichten. Es droht eine Leberzirrhose. Die Leber schrumpft, vernarbt immer stärker, das Risiko für die Bildung von Leberkrebs ist deutlich erhöht. Eine chronische Hepatitis C kann zudem andere Organe wie die Nieren oder das Herz schädigen. Das Risiko dieser Langzeitfolgen besteht auch dann fort, wenn das Virus nach einer Behandlung nicht mehr im Körper nachweisbar ist.  „Wir verstehen bisher nicht, warum diese Langzeitfolgen entstehen und wie sie therapiert werden können“, sagt Professor Dr. Tim Kacprowski von der Technischen Universität Braunschweig. Der Bioinformatiker und seine Kolleginnen und Kollegen wollen diese Wissenslücke nun schließen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt das Projekt im Rahmen der Förderinitiative „Computational Life Sciences – CompLS“.

Um die molekularen Mechanismen der Langzeitfolgen einer Hepatits-C-Infektion zu entschlüsseln, analysieren die Forschenden nicht nur einzelne Biomarker im Blut der Patientinnen und Patienten, sondern so genannte Biomarker-Signaturen. Das sind spezifische Kombinationen von Biomarkern, die einen signifikanten Zusammenhang zur Krankheitsentwicklung aufweisen. Diese werden wiederum auf einer weiteren Komplexitätsebene in so genannten Interaktionsnetzwerken in ihrer Beziehung zueinander betrachtet. Dabei vergleicht das Forschungsteam die Daten von Hunderten Hepatitis-C-Patientinnen und -Patienten in verschiedenen Krankheitsstadien mit Daten von Kontrollgruppen. „Wir haben bereits erste Signaturen identifiziert, die relevante Unterschiede zwischen Erkrankten mit und ohne Leberzirrhose aufzeigen“, erklärt Kacprowski.

„Welt-Hepatitis-Tag“ am 28. Juli

„Ich warte nicht. Ich handele!“ – so lautet das Motto des diesjährigen Welt-Hepatitis-Tages. Damit verbindet die Deutsche Leberhilfe als Ausrichter den Appell an alle, sich und andere aktiv vor einer Hepatitisinfektion und ihren Folgen zu schützen. Gegen Hepatitis B gibt es bereits eine Impfung. Zudem zahlen die Krankenkassen in Deutschland für alle Versicherten ab 35 Jahren einen Test auf Hepatitis B und C. Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO leiden weltweit etwa 358 Millionen Menschen an einer chronischen Hepatitis B oder C – die meisten, ohne von ihrer Infektion zu ahnen.

KI-Modelle auch auf Long-COVID übertragbar

Auf Basis der gewonnen Daten und Erfahrungen entwickeln die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein KI-Modell, das das Risiko jedes einzelnen Hepatitis-C-Patienten für die Entwicklung von Langzeitfolgen vorhersagen soll. In der Praxis könnte das so aussehen: Die Ärztin oder der Arzt nimmt zu mehreren Zeitpunkten während der Behandlung Blutproben der Betroffenen und speist diese in das Diagnosetool ein. Dieses liefert dann im Anschluss eine individuelle Risikoeinschätzung.

Doch die Forschenden denken noch einen Schritt weiter: „Uns interessieren nicht nur die molekularen Grundlagen für die Entwicklung von Langzeitfolgen, sondern auch die biologischen Prozesse, die dafür verantwortlich sind“, sagt Kacprowski. „Nur, wenn wir die Ursachen verstehen, sind wir in der Lage, therapeutisch gegenzusteuern.“ Bisher wissen die Forschenden nicht, ob sie dabei auf Ursachen stoßen werden, für die es bereits Therapien gibt. „Vielleicht müssen auf der Grundlage unserer Ergebnisse auch neue Behandlungsansätze entwickelt werden“, so Kacprowski. Wer ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Langzeitfolgen hat, kann jedoch auch schon mit gesunder Ernährung und viel Bewegung der Entstehung von Leberschäden entgegenwirken.

Die methodischen KI-Ansätze des Forschungsteams sollen im Erfolgsfall auch auf andere ähnliche Virusinfektionen mit möglichen Langzeitfolgen übertragbar sein. So könnten die Modelle mit den passenden Patientendaten auch für den Einsatz bei Long-COVID-Patientinnen und -Patienten trainiert werden. „Es gibt einige Gemeinsamkeiten zwischen Long-COVID und der chronischen Hepatitis C“, sagt Kacprowski. Auch hier müssen noch viele offene Fragen zu Risikofaktoren und Ursachen geklärt werden, um den Betroffenen wirkungsvoll helfen zu können.

Innovative Software-Tools für Diagnostik und Therapie

In der Patientenversorgung und der klinischen Forschung wächst die Menge an elektronisch verfügbaren Daten rasant. Intelligente Algorithmen können in diesen riesigen Datensätzen versteckte Muster aufspüren. Sie helfen dabei, Zusammenhänge zu erkennen sowie verbesserte Ansätze für die Prävention, Diagnose und Therapie von Krankheiten zu finden. So entwickeln Forschende etwa mit Methoden der Künstlichen Intelligenz innovative Software-Werkzeuge, die den individuellen Krankheitsverlauf vorhersagen sollen und somit passgenaue Therapieempfehlungen liefern können. Mit der Förderinitiative „Computational Life Sciences“ treibt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die Entwicklung innovativer Software-Tools für die Lebenswissenschaften voran. Einer der Schwerpunkte ist die Nutzung von Methoden der Künstlichen Intelligenz in der Biomedizin. Seit 2018 hat das BMBF bislang rund 53 Millionen Euro für mehr als 70 Forschungsprojekte bereitgestellt.