16.08.2022

| Aktuelle Meldung

Neues In-vitro-System zur toxikologischen Prüfung von Medikamenten

Forschende entwickeln eine Alternativmethode, die ohne Tierversuche Vorhersagen über die Leberverträglichkeit von Therapeutika bei Fettleberpatienten treffen kann. Dr. Anja Zeigerer berichtet im Interview über das Projekt SteatTox.

Untersuchung der Leber, Milz, Niere und Magen anhand eines Abdomenscanner

Die Verfettung der Leber, auch Steatose genannt, kann die Empfindlichkeit der Leber für toxische Wirkungen von Medikamenten und Fremdstoffen erhöhen.

RFBSIPI AdobeStock

Mit dem weltweit zunehmenden Vorkommen des Metabolischen Syndroms steigt die Anzahl der Patientinnen und Patienten mit Fettleber enorm an. Die Behandlung dieser Erkrankung ist bisher nur bedingt möglich. Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass die Verfettung, auch Steatose genannt, die Empfindlichkeit der Leber für toxische Wirkungen von Medikamenten und Fremdstoffen erhöhen kann. Das Projektteam hat in der ersten Förderphase ein In-vitro-System mit steatotischen menschlichen Hepatozyten entwickelt, mit welchen wesentliche Aspekte der menschlichen Fettleber nachgestellt werden können.

Was versteht man unter einer Fettleber und welche Krankheitserscheinungen gibt es?

Die nichtalkoholische Fettleber (nonalcoholic fatty liver disease, NAFDL) ist auf überschüssiges Fett in der Leber zurückzuführen, das nicht durch Alkoholkonsum entsteht, sondern als Folge von Stoffwechselstörungen und Adipositas. Patientinnen und Patienten mit Fettleber können über die Zeit ein hohes Risiko für weitere Stoffwechselstörungen wie Insulin Resistenz, Type-2 Diabetes (T2D) und Nicht-alkoholische-SteatoHepatits (NASH) entwickeln. NASH stellt die nächste Stufe der Fettleber dar und ist durch Leberentzündung charakterisiert, die im weiteren Verlauf zu Vernarbung und permanenten Leberschäden, wie NASH-Leberfibrose, NASH-Leberzirrhose oder hepatozelluläres Karzinom führen kann. Diese Komplikationen können zu Leberversagen führen und sind lebensbedrohlich.

Welche Ziele verfolgen Sie mit dem Projekt Steato-Tox und inwieweit kann Ihr Projekt zu einer personalisierten Diagnostik und Therapie für Fettleberpatientinnen und -patienten beitragen?

Ein Medikament zur Behandlung von NAFLD und NASH ist bis heute nicht verfügbar, daher besteht dringender Bedarf an der Entwicklung neuer medizinischer Behandlungsmöglichkeiten. Für uns ist es besonders wichtig, neue intrazelluläre Ansatzpunkte für mögliche therapeutische Optionen zu erforschen. Wir konnten einen neuen Regulator des Fettstoffwechsels in der Leber identifizieren: ein Protein mit dem Namen Rab24. Weitere Studien etablierten Rab24 als potenzielles Ziel für Wirkstoffkandidaten zur Behandlung von NAFLD (Seitz et al. Nat Metab 2019). Des Weiteren dient dieses System der Validierung von potenziellen neuen Medikamenten, die für eine Behandlung der Fettleber eingesetzt werden könnten.

Ihr Verbundprojekt SteatoTox wird aktuell im Rahmen der BMBF-Bekanntmachung „Alternativmethoden zum Tierversuch“ gefördert. Welchen Beitrag zum 3R-Konzept kann ihr Projekt leisten und wie können somit langfristig Tierversuche ersetzt werden?

Lebertoxizität ist eine der häufigsten Ursachen, dass Medikamente vom Markt genommen werden. Daher ist es essentiell ein System zu entwickeln, mit dem Pharmaka auf ihre Wirkung auf die menschliche Fettleber untersucht werden können, um präventiv und therapeutisch neue Aspekte von NAFLD aufzudecken. Daher haben wir ein in-vitro-System mit steatotischen menschlichen Hepatozyten entwickelt, mit welchem wesentliche Aspekte der menschlichen Fettleber (NAFLD) nachgestellt werden können. Die Entwicklung eines in-vitro-Systems zur toxikologischen Bewertung von Pharmaka in Patienten mit Fettleber trägt damit zur Reduktion von Mausexperimenten bei und gewährleistet die Übertragbarkeit von Maus zu Human.

Welche Schritte sind als nächstes geplant? Und was erwarten Sie nach Ablauf des Projekts?

Das übergeordnete Ziel besteht nun in der Anwendung des Systems für konkrete Untersuchungen: Wir werden die Sensitivität unseres Systems gegenüber Pharmaka und Chemikalien testen und deren potenzielle Effekte auf eine Fettleber. Andererseits möchten wir mit dem System Kandidatensubstanzen untersuchen, um deren Potenzial für eine Therapie zu evaluieren. Das konkrete Ziel ist es, das in-vitro-System als Darstellung einer menschlichen Fettleber zu bestätigen und zur Identifizierung neuer Zielstrukturen und Entwicklung neuartiger Wirkstoffe für Fettlebertherapien zu nutzen.