Januar 2018

| Newsletter 87

Schwangerschaft trotz Herzschwäche

Ein handelsübliches Abstillmedikament hilft bei einer lebensbedrohlichen Herzerkrankung nach der Schwangerschaft. Das weist eine durch das Bundesforschungsministerium geförderte klinische Studie der Medizinischen Hochschule Hannover nach.

Die Peripartum Kardiomyopathie, kurz PPCM, ist eine seltene und lebensbedrohliche Erkrankung des Herzens. Sie kann bei vorher herzgesunden Frauen im letzten Schwangerschaftsmonat und bis sechs Monate nach der Geburt auftreten. Die Betroffenen leiden unter plötzlich auftretendem oder schleichendem schweren Herzversagen. Etwa jede siebte Patientin stirbt an den Folgen. Nur etwa jede dritte Patientin erholt sich wieder vollständig. Alle Patientinnen haben ein dauerhaft erhöhtes Risiko für Herzrhythmusstörungen. Eine Diagnose ist schwierig. Denn die Symptome wie Atemnot, Husten, Abgeschlagenheit und Depressionen ähneln normalen Schwangerschafts- und Wochenbettbeschwerden oder grippalen Infekten.

Ultraschalluntersuchung einer Schwangeren

Bromocriptin verbessert die Behandlung von schwangerschaftsbedingter Herzschwäche.

DLR-PT

Förderschwerpunkt Klinische Studien

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert viele klinische Studien zu unterschiedlichen Krankheitsgebieten. Solche Studien sind unverzichtbar, damit die alltägliche Gesundheitsversorgung von den Forschungserkenntnissen profitieren kann. Sie bilden die Grundlage für Evidenz und Qualität in der medizinischen Versorgung. Bisher wurden insgesamt 13 Förderrunden im Schwerpunkt Klinische Studien ausgeschrieben. Die Studie zur Wirksamkeit von Bromocriptin auf die linksventrikuläre Herzfunktion bei Frauen mit peripartaler Herzschwäche wurde in der fünften Förderrunde von Mai 2010 bis einschließlich August 2016 mit rund 700.000 Euro gefördert.

Bessere Behandlung dank Bromocriptin

Selten tritt die PPCM im letzten Schwangerschaftsmonat auf, meist manifestiert sich die Krankheit unter der Geburt oder in den ersten Wochen nach der Entbindung. „Meistens raten Ärztinnen und Ärzte den betroffenen Müttern mit PPCM von einer erneuten Schwangerschaft ab“, sagt Dr. Denise Hilfiker-Kleiner. Sie ist Professorin für molekulare Kardiologie an der Medizinischen Hochschule Hannover und hat die Studie zur PPCM-Behandlung zusammen mit Prof. Johann Bauersachs geleitet. Erkenntnisse aus der Studie erhärten den Befund, dass die Gabe von Bromocriptin – eine Substanz, die seit Langem auch zum Abstillen eingesetzt wird – mit Blutgerinnungshemmern zusätzlich zur Herzmedikation die Heilung einer PPCM unterstützt. „Eine erneute Schwangerschaft nach PPCM ist risikoreich und erfordert eine engmaschige Betreuung der Schwangeren in der Herzmedizin, der Gynäkologie und der Neonatologie.“ Klinische Beobachtungen der beiden Forscher deuten darauf hin, dass die Gabe von Bromocriptin zusammen mit anderen Medikamenten gleich nach der Entbindung ein Wiederauftreten der PPCM verhindern kann. Bromocriptin blockiert die Freisetzung des Stillhormons Prolaktin, aus dem bei PPCMPatientinnen ein Spaltprodukt gebildet wird, das die Blutgefäße schädigt. Dieses Spaltprodukt führt dazu, dass das Herz weniger durchblutet wird und Herzmuskelzellen absterben.

Jährlich erkrankt in Deutschland schätzungsweise eine von 1500 bis 2000 Schwangeren an PPCM. In der Studie haben zwölf Universitätskliniken in den vergangenen sechs Jahren 140 Frauen mit PPCM diagnostiziert. 63 von ihnen haben sie in die Studie eingeschlossen. „Wir haben herausgefunden, dass kleine Mengen Bromocriptin, die zusätzlich zur Standardtherapie mit Herzmedikamenten über einen kurzen Zeitraum von sieben Tagen eingenommen werden, zumeist für eine Heilung ausreichen“, sagen Hilfiker- Kleiner und Bauersachs. In dieser Dosis wird Bromocriptin üblicherweise auch zum Abstillen eingesetzt, wenn medizinische Gründe dies erfordern und keine Erkrankung des Herz-Kreislauf-Systems vorliegt. Bei einer schweren PPCM sollte das Medikament nach Angaben der Mediziner mindestens sechs Wochen lang gegeben werden. Die beiden Forscher weisen darauf hin, dass die Patientinnen zusätzlich mit Blutgerinnungshemmern behandelt werden müssen, da sie ein erhöhtes Risiko für Thrombosen haben.

BOARD – standardisiertes Vorgehen

Andere internationale Studien bestätigen dieses Ergebnis. Die Studienergebnisse der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Hannover sind daher mittlerweile auch in das weltweite Behandlungskonzept zu PPCM eingeflossen, das unter dem Namen BOARD zusammengefasst ist.

BOARD

„BOARD“ steht für ein Behandlungskonzept bei PPCM. Es setzt sich aus den englischen Wörtern Bromocriptine, Oral heart failure therapies, Anticoagulation, vasoRelaxing agents und Diuretics zusammen. Es beschreibt die zusätzliche Gabe von Bromocriptin zur Standardtherapie mit Herzmedikamenten, Blutverdünnern, gefäßerweiternden und harntreibenden Mitteln (Diuretika).

Das Studienteam hat außerdem eine Spezialambulanz für PPCM-Patientinnen an der Medizinischen Hochschule Hannover eingerichtet. Eine Internetseite informiert über die Krankheit, ihre Folgen und die Behandlung. „Uns ist wichtig, dass Frauenärztinnen und -ärzte informiert sind. In der Kardiologie kennen wir die Krankheit. Aber in den frauenärztlichen Praxen haben noch nicht viele davon gehört“, so Hilfiker-Kleiner.

Damit die Behandlung von PPCM-Patientinnen weiter verbessert werden kann, haben die Hannoveraner PPCM-Spezialisten zusammen mit der europäischen Gesellschaft für Kardiologie ein weltweites PPCMRegister aufgebaut. Hier werden alle PPCM-Patientinnen und ihre Behandlung erfasst.

Ansprechpartner:

Prof. Denise Hilfiker-Kleiner
Medizinische Hochschule Hannover
Molekulare Kardiologie
Klinik für Kardiologie und Angiologie
Carl-Neuberg-Str. 1
30625 Hannover
hilfiker.denise@mh-hannover.de
oder
PPCM@mh-hannover.de

Weitere Informationen: Medizinische Hochschule Hannover - Kardiologie und Angiologie