Januar 2018

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Wenn der Herzmuskel aussieht wie ein Schwamm

In seltenen Fällen ist die Entwicklung des Herzmuskels beim Embryo gestört. Die Folge: Das Herz schlägt nicht im Takt. Forschende vom DZHK-Standort Heidelberg haben dieses Krankheitsbild erstmals systematisch beschrieben und erbliche Faktoren identifiziert.

Bei der sogenannten Linksventrikulären Non-Compaction-Kardiomyopathie (LVNC) ist die Herzmuskulatur der linken Herzkammer zerklüftet oder schwammartig angelegt. Dies ist meist die Folge eines fehlerhaften Aufbaus der Muskulatur in der embryonalen Phase. Es kann aber auch im späteren Leben zu einem solchen Umbau der Herzwände kommen. Die Erkrankung ist zwar selten, jedoch die dritthäufigste Form von angeborenen Herzmuskelerkrankungen. Teilweise kann sie schon im Kindesalter diagnostiziert werden, manchmal treten die Symptome aber erst im Erwachsenenalter auf.

Arzt hört das Herz eines Säuglings ab.

Die LVNC ist die dritthäufigste Form der angeborenen Herzmuskelerkrankungen.

yacobchuk/iStock

Ein Register ermöglicht die systematische Dokumentation

Das Team des Instituts für Cardiomyopathien Heidelberg (ICH.) der Universitätskardiologie hat sich auf Patienten mit Herzmuskelerkrankungen spezialisiert. In der Spezialambulanz sieht Privatdozent Dr. Benjamin Meder die unterschiedlichsten Formen und Beschaffenheiten von Herzen. „Eine ausgeprägte LVNC ist im Ultraschall und Herz-MRT gut zu erkennen, man sieht deutlich den schwammartigen Aufbau des Herzmuskels“, sagt der Kardiologe. Die klinische Ausprägung reicht von Rhythmusstörungen und Herzschwäche über Schlaganfälle bis hin zum plötzlichen Herztod. Manche Patienten haben auch gar keine Symptome, bei ihnen wird der Befund zufällig gestellt, etwa bei der Musterung oder durch einen Herzultraschall bei Leistungsportlern.

Obwohl viele einzelne Fälle und kleinere Studienkollektive beschrieben sind, wurde das Krankheitsbild bislang wenig systematisch erforscht. Leitlinien zur Diagnose oder Behandlung gibt es dementsprechend nicht. Dr. Farbod Sedaghat-Hamedani und das ICH.-Team haben deshalb jahrelang die Krankheitsberichte der Erkrankten gesammelt und in einem Register erfasst. Es umfasst inzwischen mehrere hundert Einträge. Darunter befinden sich auch gesunde Familienangehörige der Erkrankten. Auf diese Weise konnten die Forscher zeigen, dass Patientinnen und Patienten mit LVNC im Durchschnitt öfter von Herz-Kreislauf-Ereignissen wie Schlaganfall, Vorhofflimmern oder Herzschwäche betroffen waren als etwa Patienten mit einer der häufigen Formen der Herzschwäche, der dilatativen Kardiomyopathie (DCM).

Den Genen auf der Spur

Mithilfe umfangreicher Genanalysen unter der Leitung des Biologen Dr. Jan Haas konnten die Forscher außerdem eine Reihe von bislang nicht bekannten krankheitsrelevanten Genen identifizieren. Weiter konnten sie in Zusammenarbeit mit mehreren DZHK-Standorten ermitteln, dass das Gen RBM20, welches die Synthese des größten Muskelproteins Titin reguliert, an der Ausbildung der LVNC beteiligt ist. Betroffene mit einem Defekt in den krankheitsrelevanten Genen wiesen besonders schwere Verläufe auf.

„Unsere Ergebnisse sind die Basis für eine präzise Diagnose und Behandlung der Patienten“, sagt Meder. Bei eindeutig erblichen Komponenten können so auch Familienmitglieder besser auf ihr Krankheitsrisiko getestet und gegebenenfalls frühzeitig behandelt werden. Noch ist die Krankheit nicht heilbar, aber die Heidelberger Arbeitsgruppe hat mit ihren Forschungsergebnissen neue Ansatzpunkte für eine mögliche Gentherapie aufgezeigt, die nun gezielt untersucht werden können.

Das Deutsche Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung

Im Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung, kurz DZHK, bündeln 32 universitäre und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen an sieben Standorten in ganz Deutschland ihre Kräfte, indem sie eine gemeinsame Forschungsstrategie verfolgen.

Das vom Bundesforschungsministerium initiierte DZHK bietet ihnen einen Rahmen, um Forschungsideen gemeinsam, besser und schneller als bisher umsetzen zu können. Wichtigstes Ziel des DZHK ist es, neue Forschungsergebnisse möglichst schnell für alle Patientinnen und Patienten verfügbar zu machen und Therapien sowie die Diagnostik und Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu verbessern. Neben dem DZHK gibt es fünf weitere Deutsche Zentren, welche die wichtigsten Volkskrankheiten erforschen.

Mehr Informationen: www.dzhk.de

Ansprechpartner: 

PD Dr. Benjamin Meder
Institut für Cardiomyopathien Heidelberg (ICH.)
Universitätsklinikum Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 672
69120 Heidelberg
Tel.: 06221 56-8676
benjamin.meder@med.uni-heidelberg.de

Pressekontakt

Christine Vollgraf
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK)
Tel.: 030 3465529-02
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