Dossier

Palliativversorgung

Sterben gehört zum Leben. Die letzte Lebensphase menschenwürdig und angstfrei zu erleben, das ist der Wunsch vieler Patientinnen und Patienten. In der Palliativversorgung arbeiten Fachkräfte unterschiedlicher Berufsgruppen daran, dass dies möglich ist.

Eine alte Frau und ein jüngerer Mann sitzen in einem Park auf einer Bank. Der Mann hält die Hand der Frau.

Die ambulante Palliativversorgung unterstützt Menschen, die es sich wünschen -trotz schwerer Erkrankung - im eigenen Umfeld zu sterben.

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Die Angst vor dem Sterben ist häufig verbunden mit der Sorge, unter großen Schmerzen zu leiden. Viele Menschen werden während ihrer letzten Lebensphase zudem von starker Atemnot oder Übelkeit gequält. Diese Symptome kann die Palliativmedizin lindern. Wie und in welchem Maße therapeutisch eingegriffen wird, entscheiden Patient und Arzt gemeinsam.

Dies geschieht beispielsweise über das Advance-Care-Planning (ACP). Es bindet die Betroffenen als gleichberechtigte Partner in die vorrauschauende Versorgungsplanung ein. Eine Fachkraft berät sie zum erwarteten Krankheitsverlauf und seinen möglichen Auswirkungen. Gemeinsam wird daraufhin ein Therapieplan entwickelt, der auf die Wünsche und Bedürfnisse des Patienten abgestimmt ist  – und der jederzeit auf eine neue Situation angepasst werden kann.

Die Palliativversorgung in Deutschland ist ein junges Fach. Die erste palliative Station wurde 1983 in Köln eröffnet, eine kleine Station mit gerade einmal fünf Betten. Heute, 40 Jahre später, gibt es hierzulande rund 340 Palliativstationen und knapp 1500 ambulante Dienste. Hinzu kommen mehr als 270 Hospize, in denen sich häufig ehrenamtliche Mitarbeitende um die Erkrankten kümmern. Die heutigen Hospize gehen auf die „Unheilbarenhäuser“ zurück, die bereits im 16. Jahrhundert in Europa entstanden

Hilfe - über Fachgrenzen hinweg

In der Palliativversorgung arbeiten Fachkräfte aus vielen unterschiedlichen Berufsgruppen eng zusammen. Ärztinnen und Ärzte, Pflegekräfte und Krankengymnasten lindern körperliche Beschwerden. Psychologen, Seelsorger und Sozialarbeiter leisten psychische, soziale und emotionale Unterstützung. Gemeinsam helfen sie den Erkrankten und ihren Angehörigen.

In vielen Regionen Deutschlands stehen Betroffenen – neben stationären Einrichtungen wie den Palliativstationen und Hospizen – auch ambulante Dienste zur Seite. Diese begleiten Menschen, die den Wunsch haben, im eigenen Umfeld zu sterben.

Definition Palliativversorgung (Weltgesundheitsorganisation)

Palliativversorgung ist ein Ansatz, der die Lebensqualität von Patienten und deren Familien verbessert, die mit den Problemen im Zusammenhang einer lebensbedrohenden Erkrankung konfrontiert sind. Dies beinhaltet die Prävention und Linderung von Leiden durch frühzeitiges Erkennen und umfassende Erfassung sowie durch die Behandlung von Schmerz und anderen Problemen auf körperlichen, psychosozialen und spirituellen Ebenen.

Palliative Versorgungsformen in Deutschland

In Deutschland wird zwischen der allgemeinen und der spezialisierten Palliativversorgung unterschieden. Die allgemeine Palliativversorgung wird durch ambulante Pflege- und Hospizdienste - aber auch durch Pflegeheime sowie durch allgemeine Krankenhausstationen - gewährleistet. Die medizinische Versorgung wird zumeist von niedergelassenen Haus- und Fachärzten übernommen, die über palliativmedizinische Kenntnisse verfügen. Sie behandeln ihre Patienten oft bereits über einen längeren Zeitraum und begleiten sie daher auch während ihrer letzten Lebensphase. Die große Mehrheit der Palliativpatientinnen und -patienten in Deutschlandwird durch diese Versorgungsform begleitet.

Reichen die therapeutischen Möglichkeiten der allgemeinen Palliativversorgung nicht aus, werden die Fachkräfte der spezialisierten Palliativversorgung einbezogen. Sie betreuen ausschließlich schwer kranke und sterbende Menschen und sind für diese Aufgabe gezielt ausgebildet. Sie arbeiten in stationären Hospizen und auf spezialisierten Palliativstationen der Krankenhäuser, aber auch bei den Diensten der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV). Letztere stehen beispielsweise Menschen mit einer weit fortgeschrittenen Krebserkrankung zur Seite, wenn sie es sich wünschen, im eigenen häuslichen Umfeld zu sterben.

Palliativmedizin ist Bestandteil der ärztlichen Ausbildung

Seit der Gründung der ersten Station in Köln 1983 hat sich in der Palliativversorgung in Deutschland viel verändert. Nicht nur, dass die Zahl der Palliativstationen und Hospize stark gestiegen ist, die Palliativmedizin ist seit 2010 auch fester Bestandteil der ärztlichen Ausbildung. Seither verfügen alle angehenden Medizinerinnen und Mediziner über palliativmedizinische Grundkenntnisse. An insgesamt neun Universitäten in Deutschland werden darüber hinaus vertiefende Kenntnisse der Palliativversorgung gelehrt. Mehr als 13.000 Ärztinnen und Ärzte führen zurzeit die Zusatzbezeichnung Palliativmedizin.

Dennoch gibt es in Deutschland immer noch Engpässe in der palliativen Versorgung. Insbesondere die ländlichen Regionen sind häufig unterversorgt. Der Bedarf steigt weiter, denn mit der zunehmenden Lebenserwartung wird auch das Risiko chronisch zu erkranken höher. Immer mehr ältere Menschen leiden gleichzeitig unter mehreren chronischen Erkrankungen – oft verbunden mit körperlichen und geistigen Einschränkungen. Den Wünschen und Bedürfnissen dieser Menschen auch in ihrer letzten Lebensphase zukünftig gerecht zu werden, ist eine der großen Herausforderungen der Palliativversorgung.

Welche Wünsche und Bedürfnisse haben Menschen an ihrem Lebensende? Wie lassen sich ihre Beschwerden lindern? Welche Hilfe benötigen die Menschen, die Sterbende pflegen und ihnen nahe stehen? Viele Fragen aus der Palliativversorgung sind heute noch nicht ausreichend beantwortet. Daher ist Forschung in diesem Bereich notwendig: Sie trägt dazu bei, die Wirksamkeit von palliativen Therapien und Versorgungsmodellen zu verbessern – und berücksichtigt dabei auch das psychische Befinden und die sozialen Umstände der Betroffenen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat daher die Förderinitiative „Forschung für die Palliativversorgung“ initiiert. Sie greift Fragen zur Palliativversorgung mit unmittelbarem Patientenbezug auf und trägt zu deren Lösung bei. Dabei bindet sie die Patientinnen und Patienten sowie die Pflegende und Angehörige intensiv ein.

Begleitung von Kindern und Jugendlichen

Eine unheilbare Erkrankung kann in jeder Lebensphase auftreten. So sterben jährlich etwa 1500 Kinder und Jugendliche in Deutschland an einer lebensverkürzenden Krankheit. Die Wünsche und Bedürfnisse dieser jungen Menschen unterscheiden sich stark von denen älterer Patientinnen und Patienten. Um ihnen gerecht zu werden, wurde 1998 das erste Kinderhospiz in Deutschland eröffnet. Heute gibt es deutschlandweit rund 18 Kinderhospize, in denen Kinder und Jugendliche ihren Bedürfnissen entsprechend begleitet werden und ihre Familien Entlastung finden. Auch nach dem Tod ihrer Kinder finden die Eltern hier oft noch Hilfe.

Neben dem Alter beeinflussen weitere Faktoren - beispielsweise auch der kulturelle Hintergrund - die Vorstellung von einem würdevollen Tod. All diesen Unterschieden gerecht zu werden ist Aufgabe der Palliativversorgung.