September 2022

| Newsletter 108

Volkskrankheiten und COVID-19

Einer aktuellen Studie zufolge erhöhen Fettleibigkeit, Diabetes und Bluthochdruck bei Menschen im jungen und im mittleren Lebensalter das Risiko, an COVID-19 zu sterben, auf ein Maß, das sonst nur bei älteren Menschen beobachtet wird.

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Ältere Menschen haben ein besonders hohes Risiko, schwer an COVID-19 zu erkranken und daran zu sterben. Auch Fettleibigkeit, erhöhte Blutzuckerwerte und Bluthochdruck gelten als potenzielle Risikofaktoren für schwere COVID-19-Verläufe. Welchen Effekt jedoch das Vorliegen mehrerer dieser Vorerkrankungen in Kombination auf den Verlauf einer SARS-CoV-2-Infektion hat, wurde bislang noch nicht ausreichend untersucht.

Um herauszufinden, ob Übergewicht, Diabetes und ein erhöhter Blutdruck die Schwere einer COVID-19-Erkrankung beeinflussen und die damit einhergehende Sterblichkeit erhöhen, haben Forschende des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) und des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) Daten von insgesamt 3.163 Patientinnen und Patienten mit einer SARS-CoV-2-Infektion aus dem europäischen Fallregister LEOSS (Lean European Open Survey on SARS-CoV‑2 infected patients) ausgewertet.

Die LEOSS Studie

Auf Initiative der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie (DGI) wurde gemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) ein europäisches Fallregister aufgelegt, in dem klinische Daten für Patientinnen und Patienten mit SARS-CoV-2-Infektion gesammelt werden. LEOSS ist eine europäische nicht interventionelle multizentrische Kohortenstudie. Das im März 2020 gestartete Register zeichnet sich dadurch aus, dass alle gesammelten Daten zur gemeinsamen Analyse an die wissenschaftliche Gemeinschaft gehen. An dem Register sind u. a. die Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung (DZG) beteiligt. Das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung (DZD) nutzt das Register z. B. zur Untersuchung, welchen Einfluss Adipositas und ein gestörter Stoffwechsel auf die Schwere einer COVID-19-Erkrankung haben.

COVID-19: Vorerkrankungen erhöhen Sterblichkeit auch bei jungen Menschen

„Dabei zeigte sich, dass Fettleibigkeit, Diabetes und Bluthochdruck einen additiven Effekt auf die COVID-19-bedingte Sterblichkeit haben – und dies vor allem bei vergleichsweise jüngeren Erkrankten im Alter zwischen 18 und 55 Jahren“, erläutert Professor Dr. Norbert Stefan, Erstautor der Studie. Die Untersuchung zeigt, dass Menschen dieser Altersgruppe mit allen drei Vorerkrankungen ein ähnlich erhöhtes Sterberisiko haben wie ältere Menschen (56 bis 75 Jahre), die nicht fettleibig waren und einen gesunden Stoffwechsel hatten.

„Diese Erkenntnis hat immense Auswirkungen auf unseren Umgang mit der SARS-CoV-2-Infektion und den Volkskrankheiten, denn bislang gingen viele Betroffene davon aus, dass ein jüngeres Alter weitgehend vor einer schweren Infektion mit COVID-19 schützt“, sagt Professor Dr. Andreas Birkenfeld, Letztautor der Studie, Ärztlicher Direktor der Medizinischen Klinik IV des Universitätsklinikums Tübingen und Sprecher des DZD. „Es ist daher besonders wichtig, die medizinische Überwachung und Therapie von jüngeren COVID-19-Patienten zu intensivieren. Insbesondere dann, wenn entweder Übergewicht, Diabetes oder ein erhöhter Blutdruck vorliegen.“ Aufbauend auf ihren langjährigen Erkenntnissen zur wichtigen Rolle von Übergewicht und einer gestörten Stoffwechsellage für die Entstehung von schwerwiegenden Erkrankungen hatten Stefan, Birkenfeld und ihre Kolleginnen und Kollegen schon früh im Verlauf der COVID-19-Pandemie auf diese Risiken hingewiesen.

Medizinisches Fachpersonal im OP-Saal

Vorerkrankungen wie Übergewicht, Diabetes und Bluthochdruck lassen das Risiko steigen, auch als jüngerer Mensch an COVID­19 zu versterben.

Vadim/AdobeStock

Gezielte Vorbeugung kann helfen

Die aktuelle Studie macht auch deutlich, wie wichtig es ist, weitreichende Präventionsmaßnahmen gegen Volkskrankheiten umzusetzen. Dass eine gezielte Vorbeugung diesbezüglich große Erfolge erzielen kann, ergab die Auswertung der Prädiabetes-Lebensstil-Interventions-Studie (PLIS) des DZD. Dort zeigte sich, dass Menschen mit einer Vorstufe des Diabetes (Prädiabetes) und einem hohen Risiko, Typ-2-Diabetes und Folgeerkrankungen zu entwickeln, von einer intensiven Lebensstilintervention profitieren. Mit viel Bewegung, gesunder Ernährung und Betreuung mittels intensiven Coachings haben sie den erhöhten Blutzucker und Leberfettgehalt gesenkt und die Blutdruckwerte verbessert.

Deutsches Zentrum für Diabetesforschung (DZD)

Das DZD e. V. ist eines der sechs Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung. Es bündelt Kompetenzen auf dem Gebiet der Diabetesforschung und verzahnt Grundlagenforschung, Epidemiologie und klinische Anwendung. Ziel des DZD ist es, über einen neuartigen, integrativen Forschungsansatz einen wesentlichen Beitrag zur erfolgreichen, maßgeschneiderten Prävention, Diagnose und Therapie des Diabetes mellitus zu leisten. Mitglieder des Zentrums sind das Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, das Deutsche Diabetes-Zentrum (DDZ) in Düsseldorf, das Deutsche Institut für Ernährungsforschung (DIfE) in Potsdam-Rehbrücke, das Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen des Helmholtz Zentrums München an der Eberhard Karls Universität Tübingen und das Paul Langerhans Institut Dresden des Helmholtz Zentrums München am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der TU Dresden. Darüber hinaus gibt es assoziierte Partner an den Universitäten in Heidelberg, Köln, Leipzig, Lübeck und München sowie weitere Projektpartner.

Originalpublikation:
Stefan, N., Sippel, K., Heni, M., et al. (2022). Obesity and Impaired Metabolic Health Increase Risk of COVID-19-Related Mortality in Young and Middle-Aged Adults to the Level Observed in Older People: the LEOSS Registry. Front Med (Lausanne). 2022 May 11;9:875430. DOI: 10.3389/fmed.2022.875430

Weitere Quellen und Literaturhinweise:
Stefan, N., Birkenfeld, A. L., Schulze, M. B., et al. (2020). Obesity and impaired metabolic health in patients with COVID-19. Nat Rev Endocrinol. 2020 Jul;16(7):341–342. DOI: 10.1038/s41574-020-0364-6

Stefan, N., Birkenfeld, A. L., Schulze, M. B. (2021). Global pandemics interconnected – obesity, impaired metabolic health and COVID-19. Nat Rev Endocrinol. 2021 Mar;17(3):135–149. DOI: 10.1038/s41574-020-00462-1

Fritsche, A., Wagner, R., Heni, M., et al. (2021). Different Effects of Lifestyle Intervention in High- and Low-Risk Prediabetes: Results of the Randomized Controlled Prediabetes Lifestyle Intervention Study (PLIS). Diabetes. 2021 Dec;70(12):2785–2795. DOI: 10.2337/db21-0526

Steenblock, C., Schwarz, P. E. H., Ludwig, B., et al. (2021). COVID-19 and metabolic disease: mechanisms and clinical management. Lancet Diabetes Endocrinol. 2021 Nov;9(11):786–798. DOI: 10.1016/S2213-8587(21)00244-8

Bornstein, S. R., Rubino, F., Khunti, K., et al. (2020). Practical recommendations for the management of diabetes in patients with COVID-19. Lancet Diabetes Endocrinol. 2020 Jun;8(6):546–550. DOI: 10.1016/S2213-8587(20)30152-2

Pressekontakt:
Birgit Niesing
Deutsches Zentrum für Diabetesforschung (DZD)
Ingolstädter Landstraße 1
85764 Neuherberg
niesing@dzd-ev.de