Dossier

Diabetes mellitus

Mit mehr als acht Millionen Betroffenen gehört Diabetes mellitus in Deutschland zu den großen Volkskrankheiten. Verursacht wird die Erkrankung durch eine Störung des Zuckerstoffwechsels, wodurch der Blutzuckerspiegel nicht mehr richtig reguliert werden kann.

Blutzuckermessung anhand eines Bluttropfen auf der Fingerkuppe

Der Blutzuckerspiegel lässt sich bereits mit einem kleinen Bluttropfen bestimmen.

istock.com/vgajic

Der Zuckerstoffwechsel ist sehr komplex reguliert. Denn sowohl zu hohe, als auch zu niedrige Traubenzuckerspiegel (Glukosespiegel) im Blut sind gefährlich. Für die Senkung des Blutzuckerspiegels ist das in der Bauchspeicheldrüse produzierte Hormon Insulin verantwortlich. Insbesondere die Zellen in der Leber und den Muskeln sind mit Insulin-Rezeptoren ausgestattet. Diese erhalten das Signal, Glukose in das Zellinnere aufzunehmen, um sie zu speichern bzw. für die Muskelaktivität zu nutzen.

Einem Diabetes liegt eine Störung des Insulinhaushaltes zugrunde. Dies kann einerseits auf einer zu geringen bis fehlenden Produktion von Insulin, andererseits auf einer zu geringen Sensitivität für das Hormon Insulin beruhen. In beiden Fällen führt die Stoffwechselstörung zu einem erhöhten Glukosespiegel im Blut.
 

Gegenspieler des Insulins ist hauptsächlich das Hormon Glukagon. Wie Insulin auch, wird es in der Bauchspeicheldrüse produziert. Aber auch Adrenalin, Kortisol, Schilddrüsenhormone und das Somatostatin lassen den Glukosespiegel steigen. Die Glukagonproduktion springt an, sobald der Blutzuckerspiegel unter den eng definierten Sollbereich gesunken ist. In der Leber wird dann die gespeicherte Glukose freigesetzt. Zudem kurbelt Glukagon auch die Umwandlung von Fettsäuren und Aminosäuren in Glukose an. Es sorgt also dafür, dass neben Kohlenhydraten auch andere Quellen für die Energiebereitstellung verwendet werden.

Charakteristika des Typ 1- und Typ 2-Diabetes

Wenn von Diabetes gesprochen wird, ist meist ein Diabetes mellitus Typ 2 gemeint. Er ist die bei weitem häufigste Form. Zu Beginn des früher als Altersdiabetes bezeichneten Typ 2-Diabetes – aber auch bei Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes – produzieren die Betazellen der Bauchspeicheldrüse weniger Insulin als benötigt wird. Die Blutzuckerwerte bleiben über dem Sollwert, man spricht von einem relativen Insulinmangel. Beim Typ 1-Diabetes ist dies anders. Hier zerstört das Immunsystem die Betazellen der Bauchspeicheldrüse. Als Folge gibt die Bauchspeicheldrüse kein bzw. eine nur minimale Restmenge an Insulin ins Blut ab.

Wieder anders ist die Situation in der Spätphase eines Diabetes mellitus Typ 2 und beim Metabolischen Syndrom, einer Stoffwechselsituation die von starkem Übergewicht, „entgleistem“ Zucker- und Fettstoffwechsel sowie Bluthochdruck charakterisiert ist. Dann ist zwar genügend Insulin vorhanden, die Insulinwirkung und damit die Glukoseaufnahme in die Zellen sind jedoch eingeschränkt. Dieser Zustand wird als Insulinresistenz bezeichnet.

Eine grobe Unterscheidung beider Diabetesformen ist bereits anhand des Erkrankungsalters möglich. Der Typ 1-Diabetes manifestiert sich überwiegend im Kindesalter, der Typ 2-Diabetes mehrheitlich im Erwachsenenalter. Der Typ 1-Diabetes trifft darüber hinaus eher normalgewichtige Kinder und beginnt relativ fulminant, d. h. meist plötzlich und im Zusammenhang mit körperlicher Belastung oder einem harmlosen Infekt; die Kinder sind sehr durstig, müssen häufig auf die Toilette und verlieren scheinbar grundlos Gewicht. Der Typ 2-Diabetes hingegen trifft eher stark übergewichtige Kinder und Erwachsene, ohne dass charakteristische Symptome auftreten; unspezifische Symptome wie Müdigkeit, Schwäche und Hungergefühl sind möglich. Der Typ 2-Diabetes wird daher meist zufällig bei einer ärztlichen Laboruntersuchung entdeckt.

Deutsches Zentrum für Diabetesforschung

Das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung (DZD) ist eines der sechs Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und den Ländern gefördert werden. Es bündelt deutschlandweit Expertise auf dem Gebiet der Diabetesforschung – mit dem Ziel, individualisierte Präventions- und Therapiekonzepte zu entwickeln.

Risikofaktoren: Zu viel essen, zu wenig bewegen

Ging man früher davon aus, dass der Typ 1-Diabetes die erbliche und der Typ 2-Diabetes die durch das Verhalten hervorgerufene Form der Stoffwechselstörung ist, so ist die Unterscheidung heute nicht mehr ganz so eindeutig. Auch der Typ 2-Diabetes tritt familiär gehäuft auf; es gibt also eine genetische Veranlagung. Dennoch sind Übergewicht, Bewegungsmangel und Rauchen, also modifizierbare Lebensstilfaktoren, von großer Bedeutung. Sie führen erst dazu, dass sich die Krankheit manifestiert. Daher gelten sie als klassische Risikofaktoren für die Entwicklung eines Diabetes mellitus Typ 2.

Beim Typ 1-Diabetes spielen Lebensstilfaktoren keine bzw. nur eine sehr geringe Rolle. Hier beginnt das Immunsystem aus bisher nicht eindeutig geklärten Gründen, Antikörper gegen die Betazellen in der Bauchspeicheldrüse zu bilden. Das Immunsystem greift also den eigenen Körper an, weil die Oberfläche der Betazellen verändert ist und der Körper sie daher als fremd einstuft. Es zerstört die Insulin-bildenden Zellen der Bauchspeicheldrüse, so dass Patientinnen und Patienten mit Typ 1-Diabetes lebenslang Insulin zuführen müssen.
 

Metabolische Programmierung durch den Lebensstil

Lange Zeit galt die Annahme, dass Krankheiten entweder angeboren oder durch den Lebensstil verursacht sind. Inzwischen ist das Bild auch beim Diabetes mellitus komplexer geworden. Denn Umwelteinflüsse können Gene an- und abschalten bzw. ihre Aktivität modulieren. Wie dies im Einzelnen geschieht, untersucht die Wissenschaft der Epigenetik.

So ist inzwischen bekannt, dass zur genetischen Veranlagung für einen Diabetes mellitus Typ 2 ein entsprechender Lebensstil hinzukommen muss, damit es zum Ausbruch der Krankheit kommt. Bewegt sich der Mensch kaum, sinkt beispielsweise die Zahl der Insulin-Rezeptoren auf der Oberfläche der Muskelzellen, denn sie benötigen unter diesen Umständen die Insulin-vermittelte Aufnahme von Glukose nicht.
 

Nicht nur im eigenen Körper, sondern auch zwischen dem der Mutter und dem des ungeborenen Kindes kommt es zu Wechselwirkungen. Kinder von Müttern mit Schwangerschaftsdiabetes, die im Mutterleib erhöhten Glukose- und Hormonspiegeln ausgesetzt waren, haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, selbst zuckerkrank zu werden. Der Grund: Die mütterlichen Glukosespiegel beeinflussen auch die Genaktivität im Fötus.

Ergebnisse der Gesundheitsforschung

Dual-Agonisten binden an zwei Rezeptoren.

Künstliche Hormone helfen beim Abnehmen

Forschende entwickelten Moleküle, die wie Hormone wirken und stark übergewichtige Menschen bei der Gewichtsabnahme unterstützen können.

Schematische Darstellung des Chips.

Diabetesforschung: Mini-Labor auf dem Chip

Diabetes mellitus ist zwar gut behandelbar, eine Heilung aber bis heute nicht möglich. Ein Chip eröffnet überraschende neue Perspektiven.

Typ-­2­-Diabetes entwickelt sich aus einer Vorstufe, dem sogenannten Prädiabetes. Dieser Prozess dauert meist viele Jahre.

Subtypen bei Vorstufe des Diabetes entdeckt

Typ-2-Diabetes entwickelt sich über Jahre. Langzeitstudien zeigen, dass es bereits in einer sehr frühen Phase sechs klar abgrenzbare Subtypen gibt.

Modelldarstellung von Zellen der Bauchspeicheldrüse

Diabetes: Neue Entdeckung könnte die Behandlung verändern

Diabetes mellitus ist eine komplexe Erkrankung, die durch den Verlust oder die Fehlfunktion der insulinproduzierenden Betazellen gekennzeichnet ist.