Juli 2022

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Mit den richtigen Wirkstoffkombinationen gegen resistente Bakterien

In Krankenhäusern werden antimikrobielle Substanzen oft miteinander kombiniert, um Infektionen effektiver zu behandeln. Doch nicht immer ergänzen sich die Wirkstoffe sinnvoll. Forschende analysieren mögliche Wechselwirkungen, um Empfehlungen geben zu können.

Bei etwa 65 bis 85 Prozent aller chronischen bakteriellen Infektionen bildet der Krankheitserreger einen Biofilm aus. Dieser enthält ein Sekret, das die Bakterien selbst produzieren. Wie ein Schutzschild umgibt es die Bakterien und schirmt diese gegen Angriffe von außen ab, etwa durch Antibiotika oder Desinfektionsmittel. Die betroffenen Patientinnen und Patienten leiden als Folge unter chronischen Entzündungen, die nur schwer zu behandeln sind.

Krankenhauskeime

Viele gefährliche Krankenhauskeime bilden Biofilme aus, die ihre Empfindlichkeit gegenüber antibakteriell wirkenden Substanzen herabsetzen.

GiroScience/Adobe Stock

Der Schutzschild um die Bakterienkolonie birgt aber noch eine weitere große Gefahr: Dadurch, dass die Bakterien deutlich unempfindlicher auf das eingesetzte Antibiotikum reagieren, können sie leichter Resistenzen dagegen bilden. Damit haben sie einen Vorteil gegenüber nicht resistenten Bakterien und können sich schneller ausbreiten – und andere Personen infizieren. Bakterien bilden Resistenzen aber nicht nur gegen Antibiotika, auch antimikrobielle Oberflächen können so ihre Wirkung verlieren. Diese Oberflächen werden beispielsweise bei Implantaten oder chirurgischem Besteck eingesetzt; es handelt sich hierbei um bestimmte Materialien oder Beschichtungen.

Was lässt sich kombinieren und was nicht?

In Krankenhäusern werden zumeist verschiedene Substanzen kombiniert, um die Ausbreitung gefährlicher Keime zu verhindern. Die Forschung konzentrierte sich bislang hauptsächlich darauf, die Wirkung unterschiedlicher Antibiotika-Antibiotika-Kombinationen zu erfassen. Dr. Frank Schreiber hat in seinem Forschungsprojekt erstmals systematisch untersucht, ob die Auswahl der Substanzen auch bei der Kombination von Antibiotika und antimikrobiellen Oberflächen mehr Beachtung finden sollte. Der Wissenschaftler arbeitet an der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) und leitete das Teilprojekt „Bakterielle Populationsdynamiken in Biofilmen in der Gegenwart von Antibiotika und antimikrobiellen Beschichtungen“ des Konsortiums BEAT-AMR. Das Konsortium von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Deutschland, der Schweiz, den Niederlanden und Großbritannien wurde von Schreiber koordiniert. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat sein Teilprojekt mit knapp 300.000 Euro gefördert.

„Zunächst haben wir die Wirksamkeit verschiedener Substanzkombinationen ermittelt“, erläutert Schreiber. Denn mit den richtigen Kombinationen werden nicht nur möglichst viele Bakterien abgetötet, sie können auch die Konkurrenz zwischen resistenten und nicht resistenten Bakterienstämmen beeinflussen. „So können wir beispielsweise eine Situation schaffen, in der nicht resistente Bakterien einen Wachstumsvorteil haben – und so die resistenten Stämme zurückdrängen“, so Schreiber.

Krankenhaus Operationsbesteck

Viele Materialien, die beispielsweise bei Operationen eingesetzt werden, bestehen aus antimikrobiell wirkenden Materialien oder sind entsprechend beschichtet. Das reduziert die Wahrscheinlichkeit, dass sich gefährliche Keime ausbreiten.

Christian Schwier/Adobe Stock

Wissenschaftlich fundierte Empfehlungen für das Krankenhauspersonal

Zunächst analysierten die Forschenden im Reagenzglas die Wirkung verschiedener Substanzkombinationen auf das Bakterium Pseudomonas aeruginosa, das sie exemplarisch im Rahmen ihrer Studie untersucht haben. Dieses biofilmbildende Bakterium kann beim Menschen eitrige Infektionskrankheiten hervorrufen und zählt zu den besonders gefährlichen Krankenhauskeimen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fanden sowohl Kombinationen, die einander verstärken, als auch solche, die sich gegenseitig abschwächen. Der sich abschwächenden Wirkung gingen die Forschenden weiter auf die Spur und entwickelten ein Testsystem, um zu untersuchen, ob sich eine bestimmte Kombination auch dann abschwächt, wenn eine der Substanzen als antimikrobielle Oberfläche verwendet wird.

In einem weiteren Modellsystem testeten sie zudem, inwiefern bestimmte Substanzkombinationen einen Vorteil für antibiotikaresistente P.-aeruginosa-Stämme gegenüber einem nicht resistenten Stamm bedeuten. „Wir haben zahlreiche Substanzkombinationen analysiert – und Kombinationen identifiziert, die besser nicht verwendet werden sollten, weil sie dazu beitragen können, dass antibiotikaresistente Stämme einen Wachstumsvorteil haben. Es gibt aber auch Kombinationen, die genau den gegenteiligen Effekt haben. Dies eröffnet die Möglichkeit, mit den richtigen Kombinationen Resistenzen zu bekämpfen“, so Schreiber.

Handlungsempfehlung für medizinische Einrichtungen

Ihre Ergebnisse haben die Forschenden in einer Handlungsempfehlung für die Verwendung von antimikrobiellen Oberflächen in medizinischen Einrichtungen im Kontext des Antibiotikaresistenzproblems publiziert. Dabei weisen sie darauf hin, dass sowohl die Wirksamkeit der Beschichtungen als auch deren Effekte auf resistente Bakterien genau analysiert werden sollten, bevor diese zu einem großflächigen Einsatz gelangen. Die Ergebnisse des BEAT-AMR-Projekts zeigen zudem, dass dabei Kombinationseffekte eine wichtige Rolle spielen können.

Genetische Analysen eines wichtigen Krankenhauskeimes

Unter Leitung des Kooperationspartners, der schweizerischen EMPA („Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt“), suchten die Forschenden darüber hinaus nach genetischen Varianten im Erbgut von P. aeruginosa. Sie fanden mehrere genetische Varianten, die dazu beitragen, dass das Bakterium weniger empfindlich auf antimikrobielle Substanzen reagiert, wenn es Teil eines Biofilms ist. So identifizierten sie beispielsweise ein Gen, dessen Produkt Teil des Fortbewegungsapparates von P.aeruginosa ist. Fehlt dieses Gen, bilden die Bakterien Biofilme mit einer besonders festen Struktur aus – und sind dadurch noch besser vor Angriffen von außen geschützt. Die Forschenden prüfen nun, wie sich ihre Erkenntnisse im Klinikalltag nutzen lassen.  

Ansprechpartner:
Dr. Frank Schreiber
Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung
Fachabteilung Material und Umwelt
Unter den Eichen 87
12205 Berlin
030 8104-1414

frank.schreiber@bam.de