27.04.2023

Traditionelle Ernährung stärkt das Immunsystem

Mit dem Umzug in die Stadt verändert sich oft auch die Ernährung, wie Forschende in Tansania zeigten. Mehr Fleisch, Fett und Zucker werden konsumiert – mit negativen Folgen für das Immunsystem. Die Ergebnisse sind auch für westliche Länder relevant.  

Verschiedene Schalen mit Hülsenfrüchten auf einem Markt in Tansania.))

In den Ländern Afrikas südlich der Sahara schreitet die Urbanisierung mit großen Schritten voran, was auch die Gesundheit der Bevölkerung beeinflusst.

Arturo_rhei/Wirestock Creators /Adobe Stock

Die sogenannte „westliche Diät“ verheißt nichts Gutes für den Körper: Gemeint ist damit eine Ernährungsweise, die reich an gesättigten Fetten und Zucker und arm an Ballaststoffen und anderen pflanzlichen Inhaltsstoffen ist. Gesund ist diese Ernährungsweise nicht und dennoch in den meisten westlichen Ländern weitverbreitet. Auch in den rasch wachsenden Städten Tansanias ernähren sich die Menschen mittlerweile eher nach westlicher Art, während in ländlichen Gebieten noch eine traditionelle Ernährung mit Hirse und Maismehl sowie Obst und Gemüse üblich ist. Fleisch und Fisch stehen auf dem Land eher selten auf dem Speiseplan.

Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht

„Es ist schon länger bekannt, dass westliche Ernährungsgewohnheiten das Risiko für Fettleibigkeit und Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen. Mit der TransMic-Studie in Tansania haben wir belegt, dass die Ernährung die Darmflora sowie die Stoffwechselprodukte im Blut und damit die Gesundheit beeinflussen kann“, sagt Professor Dr. Joachim Schultze vom LIMES-Institut der Universität Bonn, dessen Team die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Studie gemeinsam mit internationalen Partnern durchführte.

Die Forschenden untersuchten 323 gesunde Freiwillige, von denen eine Gruppe in der etwa 200.000 Einwohner zählenden Stadt Moshi und die andere Gruppe in der ländlichen Umgebung der Stadt lebt. Die unterschiedliche Ernährungsweise der beiden Gruppen hat gesundheitliche Folgen, wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigen konnten. Sie nutzten neue Techniken, um die Funktion des Immunsystems und die Faktoren, die seine Aktivität beeinflussen, zu untersuchen. So sahen sie sich beispielsweise die aktiven RNA-Moleküle im Blut – das Transkriptom – an, um herauszufinden, welche für das Immunsystem relevanten Gene bei den Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern zum Zeitpunkt der Untersuchung aktiv waren. Auch sahen sie sich die Zusammensetzung von Stoffwechselprodukten im Blut an. 

„Unsere Ergebnisse zeigten, dass Tansanier, die in Städten leben, mehr gesättigte Fette und verarbeitete Lebensmittel zu sich nehmen. In ihrem Blut wurden erhöhte Werte von Metaboliten gefunden, die zu erhöhten Cholesterinspiegeln führen und so das Immunsystem dauerhaft aktivieren. Diese Menschen waren noch nicht krank, aber das Zusammenspiel von Cholesterinablagerungen und Fresszellen des Immunsystems trägt zur Ablagerung von sogenannten arteriosklerotischen Plaques bei. Teilnehmende aus ländlichen Gebieten hatten hingegen höhere Werte an Flavonoiden und anderen entzündungshemmenden Substanzen im Blut“, so Schultze.

Arteriosklerose

Die Arteriosklerose gilt als Hauptursache für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Sie ist eine Systemerkrankung der Arterien, die zu Ablagerungen den Gefäßwänden – so genannten arteriosklerotischen Plaques – führt. Die Gefäßwände werden dadurch starr und unflexibel. Zusätzlich verengen sich die Gefäße. Lösen sich die Plaques, kann dies einen Herzinfarkt oder Schlaganfall auslösen.

Die Ergebnisse der Studie sind nicht nur für afrikanische Staaten, sondern auch für westliche Länder interessant, denn sie tragen dazu bei, den rasanten Anstieg an sogenannten nicht-übertragbaren „Zivilisationskrankheiten“ besser zu verstehen. „Unsere Forschung bietet die Möglichkeit, quasi im Zeitraffer nachzuvollziehen, wie Veränderungen der Ernährung und im Lebensstil das menschliche Immunsystem beeinflussen und geeignete Präventionsmaßnahmen zu entwickeln“, fasst Schultze zusammen. 

Suche nach Lebensmitteln, die positiv auf das Immunsystem wirken

Mit der aktuell beginnenden Nachfolgestudie TransInf wollen die Forschenden deshalb den Ergebnissen aus TransMic weiter auf den Grund gehen und insbesondere die mit der Umstellung auf „westliche“ Ernährung häufig verbundene Fettleibigkeit in den Fokus nehmen. Zu diesem Zweck werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter Leitung von Dr. Tal Pecht im LIMES-Institut das Immun- und Stoffwechselprofil von gesunden über- und normalgewichtigen Kontrollpersonen in Tansania vergleichen.

Im Rahmen einer Interventionsstudie wird außerdem untersucht, wie sich die Rückkehr zu einer traditionellen Ernährung auf die Fehlsteuerung des Immunsystems und die Immunantwort auf Krankheitserreger und Impfstoffe auswirkt. „Wir hoffen, dass wir in der neuen Studie die Ursache-Wirkungs-Beziehung zwischen Ernährung und Immunfunktion bei Menschen mit Fettleibigkeit aufzeigen und Lebensmittel identifizieren können, die eine besonders positive Auswirkung auf das Immunsystem haben“, so Pecht.

Der Forschungsverbund TransMic („Der Übergang von einem traditionellen zu einem westlich geprägten Lebensstil und dessen Effekt auf den Zusammenhang von Diät, intestinalem Mikrobiom und Gesundheit“) wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) von 2018 bis 2022 mit rund 440.000 Euro gefördert. Für die Nachfolgestudie TransInf („Die Auswirkung der Ernährung auf die Immun- und Impfstoffreaktionen bei fettleibigen Menschen, die in einem urbanen Randbezirk leben“) werden durch das BMBF bis zu 350.000 Euro bereitgestellt. Beide Forschungsverbünde sind in die gemeinsame Programminitiative „Eine gesunde Ernährung für ein gesundes Leben“ (JPI HDHL) von EU-Mitgliedsstaaten und assoziierten Staaten eingebettet.