17.11.2023

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BTZ-043 – möglicher Gamechanger im Kampf gegen Tuberkulose

Hoffnung für Millionen Betroffene: Der in Deutschland entdeckte und weiterentwickelte Wirkstoff BTZ-043 könnte die Bekämpfung der Tuberkulose entscheidend voranbringen. Jetzt startete Phase 2 der klinischen Prüfung zur wirksamen und sicheren Dosierung.

Menschen in Schutzkleidung bei Laboruntersuchungen

Start des Phase 2b/c klinischen Studienprogramms am Studienort in Kapstadt, Südafrika

UNITE4TB

Etwa 1,6 Millionen Menschen sterben jedes Jahr an einer Infektion mit Mycobacterium tuberculosis – damit ist die Tuberkulose die bakterielle Infektionskrankheit mit den meisten Todesopfern weltweit. Da sich der Erreger in einzelnen Zellen und in abgekapselten Granulomen sowohl vor der Immunantwort des Körpers als auch vor der Behandlung mit Medikamenten „verstecken“ kann, ist die Behandlung besonders schwierig. Sie erfolgt als Kombinationstherapie mit mehreren Antibiotika, die über einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren eingenommen werden müssen. Das Problem dabei: Inzwischen sind viele Tuberkulose-Bakterien resistent gegen die standardmäßig verwendeten Wirkstoffe. Deshalb setzt die Wissenschaft ebenso wie die Weltgesundheitsorganisation WHO auf die Entwicklung neuer Antibiotika. Besonders vielversprechend ist ein Medikamenten-Kandidat mit der Bezeichnung BTZ-043.

Wirkstoffforschung stützt sich auf starke Partner

Der Wirkstoff BTZ-043 ist seit Jahrzehnten das erste in Deutschland entwickelte Antibiotikum. Er wurde von Forschenden des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie (Leibniz-HKI) in Jena entdeckt. Seit 2014 haben sich das Leibniz-HKI und das Tropeninstitut am LMU Klinikum München in einer Forschungskooperation zusammengeschlossen, um die präklinische Weiterentwicklung des Wirkstoffs voranzubringen. Bis zum Abschluss der zweiten Phase der klinischen Entwicklung wird das Projekt rund 60 Millionen Euro gekostet haben. Rund 50 Prozent stellt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hierfür entweder direkt oder durch das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) zur Verfügung.

Weitere Mittel werden durch die europäisch-afrikanische „European & Developing Countries Clinical Trials Partnership“ (EDCTP), die europäische „Innovative Medicines Initiative“ (IMI), das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst sowie den Freistaat Thüringen bereitgestellt.

Neben HIV/AIDS und Malaria gehört die Tuberkulose zu den weltweit häufigsten Infektionskrankheiten. Tuberkulose ist zwar grundsätzlich mit Medikamenten behandelbar, führt in ärmeren Ländern jedoch häufig zum Tod, da dort oft die finanziellen Mittel für eine Therapie fehlen. Hinzu kommt, dass sich die Behandlung der Tuberkulose über viele Monate erstreckt und die gleichzeitige Gabe mehrerer Antibiotika erfordert, was oft mit schweren Nebenwirkungen verbunden ist.
In Deutschland ist die Tuberkulose nahezu verschwunden. Eine Herausforderung ist hier jedoch die Behandlung von Menschen, die aus Regionen mit multiresistenten Erregerstämmen nach Deutschland (wieder)einreisen – zum Beispiel aus Osteuropa, aber auch aus Südostasien, Afrika und der Westpazifik-Region.

Vielversprechende Studienergebnisse in Deutschland und Südafrika

Frühe klinische Studien bescheinigen BTZ-043 eine hohe Wirksamkeit und Sicherheit. „Der Wirkstoff gehört zu einer neuen Klasse von Antibiotika. Sie hemmt ein Enzym in den Tuberkulose-Erregern, das zum Aufbau der Bakterienzellwand benötigt wird“, sagt Professor Axel Brakhage, Direktor des Leibniz-HKI in Jena. „Diese Hemmung bewirkt eine Auflösung der Zelle und letztlich das Absterben des Erregers.“

Inzwischen wurde das Medikament in zwei klinischen Studien getestet. Die Phase-I-Studie zu BTZ-043 an gesunden Probanden fand in Deutschland statt; in der ersten Studie an Patientinnen und Patienten (Phase IIa) wurde der Wirkstoff im südafrikanischen Kapstadt getestet. Hierbei ging es darum, eine möglichst optimale Dosis zu finden, die die höchste Wirksamkeit bei gleichzeitig bester Verträglichkeit gewährleistet. „Die Ergebnisse dieser Studien sind sehr vielversprechend“, so Professor Michael Hoelscher vom LMU Klinikum München. So sei schon nach 14 Tagen Monotherapie eine deutliche Reduktion der Bakterienlast festgestellt worden. „Damit liegt der Behandlungseffekt in der Größenordnung der am besten wirksamen Tuberkulosemedikamente, die momentan zur Verfügung stehen.“

In der weiteren Entwicklung von BTZ-043 geht es nun darum, gut wirksame Kombinationspartner zu finden. In der Regel kommt eine Kombination aus drei bis vier Präparaten zum Einsatz, um Resistenzen vorzubeugen. Die richtigen Kombinationsmedikamente, die richtige Dosis und schließlich auch die richtige Therapiedauer werden sowohl im Rahmen des Konsortiums PanACEA II in der Studie STEP2C als auch durch anlaufende klinische Studien der Phase II innerhalb des Forschungskonsortiums „Academia and Industry United Innovation and Treatment for Tuberculosis“ (UNITE4TB) untersucht. In diesem von Professor Hoelscher als wissenschaftlichem Koordinator geleiteten Konsortium haben sich 30 Partner aus 13 Ländern zusammengeschlossen. Studien, die insgesamt sieben verschiedene Kombinationstherapien mit BTZ-043 über vier Monate hinweg evaluieren, werden in diesem Jahr in zwölf Ländern auf vier Kontinenten gestartet.

Das LMU Klinikum München ist Sponsor der in Kapstadt angelaufenen klinischen UNITE4TB-Studie DECISION (BTZ-043 Dose Evaluation in CombInation and SelectION), das heißt, die Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin koordiniert und überwacht die Sicherheit der Patientinnen und Patienten. Dabei handelt es sich um eine Phase-2B-Dosisfindungsstudie, die Sicherheit und Wirksamkeit verschiedener BTZ-043-Dosen vergleicht, die mit einem Grundgerüst aus den Wirkstoffen Bedaquilin und Delamanid verabreicht werden.

Gemeinsame Forschung gegen Tuberkulose

Öffentliche Gelder spielen eine ebenso wichtige Rolle bei der Entwicklung neuer Medikamente, die primär für ärmere Länder bestimmt sind, wie die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Zur Bekämpfung der Tuberkulose haben beispielsweise 30 Partner aus 13 Ländern das Konsortium UNITE4TB gegründet, das im Juni 2021 seine Arbeit aufnahm. Gefördert mit 185 Millionen Euro ist UNITE4TB die größte öffentlich-private Zusammenarbeit zur klinischen Entwicklung von Tuberkulose-Medikamenten in der Geschichte der Europäischen Union. Mit dabei sind das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) und das LMU Klinikum München. Auf europäischer Ebene wird die Forschungsplattform von der Innovative Medicines Initiative (IMI) getragen, einer öffentlich-privaten Kooperation, die heute unter dem Namen „Innovative Health Initiative“ (IHI) firmiert. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert dieses Vorhaben über die beiden deutschen Partner – das LMU Klinikum München und das DZIF – mit rund 25 Millionen Euro. Das LMU Klinikum München steuert weitere fünf Millionen Euro bei und die beteiligten Pharmafirmen je 20 Millionen Euro. Die Europäische Union verdoppelt diese Gelder im Rahmen der IMI-Partnerschaft.

Fördergelder des BMBF flossen zudem in das Konsortium InfectControl der deutschlandweiten Initiative Zwanzig20-Partnerschaft für Innovation, in dem sich Partner aus Wissenschaft und Industrie zusammengeschlossen haben, sowie das europäisch-afrikanische Konsortium PanACEA. Diese Plattform zur Durchführung von Therapiestudien und zur Vorbereitung hoch qualifizierter klinischer Studien liefert entscheidende Daten für die Arbeiten bei UNITE4TB und wird über die European & Developing Countries Clinical Trials Partnership (EDCTP) gefördert.