Dossier

Corona: Forschung stützt sich auf breiten Fundus

Deutschland leistet einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung von SARS-CoV-2 und der von ihm ausgelösten weltweiten Pandemie – auch dank des breiten Fundus an Wissen, Techniken und Strukturen, der über die Jahre zu Coronaviren erarbeitet wurde.

Wissenschaftlerin im Labor

Viele der bereits erzielten Erkenntnisse zur Bekämpfung von SARS-CoV-2 bauen auf der seit 2006 erfolgten Forschungsförderung auf.

DLR Projektträger / BMBF

Ein neues Coronavirus löste Ende 2019 eine der größten Gesundheitskrisen der modernen Welt aus: Das Virus SARS-CoV-2 und die damit verbundene Erkrankung „Coronavirus Disease 2019“, kurz COVID-19, verbreitete sich rasant über die ganze Welt. Seither ist die Forschung besonders gefragt: Es gilt, das Virus und seine Varianten zu verstehen, die davon ausgehenden Gesundheitsgefahren abzuschätzen und ihre Verbreitung einzudämmen. Dazu lieferten in Deutschland Forschende maßgebliche Beiträge:  Beispielsweise das erste sichere diagnostische Nachweisverfahren für eine Virusinfektion und den ersten in der Europäischen Union, in Großbritannien und in den USA zugelassenen Impfstoff.

Diese und viele der bereits erzielten Ergebnisse im Kampf gegen SARS-CoV-2 bauen auf der bisherigen Forschungsförderung auf, denn im Rahmen der Infektionsforschung investiert das BMBF bereits seit 2006 auch in die Erforschung von Coronaviren. So wurden der Wissenschaft grundlegende und bedeutsame Erkenntnisse über diese Viren ermöglicht, Spezialmethoden zu ihrer Erforschung etabliert sowie Infrastrukturen zur Infektionsforschung in Deutschland verankert. In der COVID-19-Krise ermöglichte all dies ein schnelles Handeln und eine schnelle Mobilisierung von Forschung durch zielgerichtete neue Förderprogramme.

Coronaviren: Erreger mit pandemischem Potenzial

Schon vor der aktuellen Pandemie wurden bereits viele Varianten von Coronaviren beschrieben und erforscht. Coronaviren, die Menschen infizieren, sind bereits seit den 1960er Jahren bekannt und lösen meist vergleichsweise geringfügige Erkältungskrankheiten oder Durchfallsymptome aus.

Drei Coronaviren aber sind neueren Ursprungs und stehen mit größeren Krankheitsausbrüchen, schweren Atemwegserkrankungen und einer Vielzahl von Todesfällen im Zusammenhang: SARS-CoV-1, MERS-CoV und SARS-CoV-2.

SARS-CoV-1 und MERS-CoV: „Alte Bekannte“ aus der Familie der Coronaviren

Schon in den Jahren 2002/2003 sowie 2012 waren zwei bis dahin unbekannte Coronaviren aufgetreten: das SARS-Coronavirus-1 beziehungsweise das MERS-Coronavirus (MERS-CoV). Beide lösen ähnlich wie bei COVID-19 ein schweres akutes Atemwegssyndrom aus (severe acute respiratory syndrome, kurz „SARS“). Im Zuge der Erforschung des ersten SARS-assoziierten Erregers wurden Fledermausarten aus Asien, Europa, Süd- sowie Mittelamerika untersucht. Sie trugen eine Vielzahl bislang unbekannter Coronaviren in sich und gelten seither als wichtiges tierisches Reservoir dieser Viren. Der MERS-Erreger trat zunächst vor allem in Ländern der arabischen Halbinsel auf; als Zwischenwirte und Überträger auf den Menschen werden Dromedare vermutet, die dort als Nutztiere gehalten werden.

Mehr zu den Coronaviren MERS-CoV und SARS-CoV-1 findet sich hier:
MERS-CoV und COVID-19: BMBF-Verbund RAPID liefert entscheidende Beiträge
SARS-CoV-1: Relevante Erkenntnisse für die SARS-CoV-2-Pandemie

Woher kommen Coronaviren?

Die SARS- und MERS-Coronaviren stammen mit hoher Wahrscheinlichkeit aus dem Tierreich und zählen damit zu den sogenannten zoonotischen Erregern. Etwa zwei Drittel aller Infektionskrankheiten weltweit werden von solchen Erregern verursacht, die zwischen Tier und Mensch übertragbar sind. Dazu gehören beispielsweise die „Schweine-“ und die „Vogelgrippe“, Ebola oder Infektionen durch Zeckenbisse.

Zur Familie der Coronaviren gehören viele unterschiedliche Krankheitserreger. Coronaviren befallen neben Menschen auch Säugetiere sowie Vögel. Bei den Säugetieren können sowohl Wildtiere als auch Haus- und Nutztiere infiziert werden. So sind bei Hühnern und Schweinen wirtschaftlich bedeutsame Krankheitsausbrüche beschrieben, die auf Coronaviren zurückzuführen sind. Häufig sind Coronaviren spezifisch für eine Tierart und gehen von ihrem Wirtstier nicht auf andere Arten über. Es gibt jedoch auch einige Coronaviren, die eine Vielzahl verschiedener Tierarten infizieren können.

Auch Wildtiere bilden ein natürliches Reservoir für Coronaviren, die auf den Menschen überspringen können. In Fledermäusen beispielsweise existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Coronaviren, die für die Tiere selbst ungefährlich sind. Zufällige Mutationen und Rekombinationen könnten die Viren aber so verändern, so dass sie vom ursprünglichen Wirtstier auch auf andere Tierarten übergehen und sich hier vermehren können. Auch bei den bislang drei pandemisch relevanten Coronaviren SARS-CoV-1, MERS-CoV und SARS-CoV-2 gibt es Hinweise auf einen solchen Ursprung in Fledermäusen. Beim MERS-Coronavirus scheint darüber hinaus das Dromedar als Reservoir-Tier relevant zu sein, bei SARS-CoV-1 und SARS-CoV-2 werden Schleichkatzen als Überträger vermutet.

Wann werden Coronaviren besonders gefährlich?

Besonders gefährlich werden Zoonosen wie die Coronaviren für den Menschen, wenn die Erreger aufgrund von Mutationen ihren tierischen Wirt nicht mehr benötigen, sondern direkt von Mensch zu Mensch übertragen werden können. Auf SARS-CoV-2 trifft genau dies zu. Der Erreger kann leicht in die oberen Atemwege und die Lunge gelangen und wird über sogenannte Aerosole weitergegeben, d. h. winzige Partikel, die mit der Atemluft ausgeschieden werden. In nur kurzer Zeit konnte sich das Virus dadurch weltweit verbreiten.

Wie kommen Coronaviren zu ihrem Namen?

Der Name Coronavirus leitet sich von dem lateinischen Wort corona „Kranz, Krone“ ab. Betrachtet man das Virus unter dem Elektronenmikroskop, sind dornenartige Strukturen erkennbar, die auf der kugelförmigen Hülle des Virus sitzen. Diese Fortsätze sind Teile der sogenannten Spike-Proteine (englisch für „Dorne“, „Stachel“). Das Virus nutzt diese Eiweiße, um an menschliche oder tierische Zellen „anzudocken“ und in sie einzudringen.

Ressortübergreifender Ansatz: Die Forschungsvereinbarung zu Zoonosen

Die Bundesregierung misst der Erforschung zoonotischer Erkrankungen besondere gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Bedeutung bei. Das BMBF hat daher bereits 2006 mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft sowie dem Bundesministerium für Gesundheit ressortübergreifend eine gemeinsame Forschungsvereinbarung zu Zoonosen abgestimmt und konzertierte Förderinitiativen auf den Weg gebracht. 2016 wurde diese Forschungsvereinbarung erneuert. Sie wird seither zusätzlich durch das Bundesministerium der Verteidigung sowie seit 2022 auch durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz sowie durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung unterstützt.

Mehr Informationen:
Gemeinsam für die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt

Der One Health-Ansatz der Zoonosenforschung

Mit Blick auf die Ursachen von Zoonosen hat sich inzwischen eine ganzheitliche Betrachtungsweise durchgesetzt, der „One Health“-Ansatz. Dieser nimmt die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen Mensch, Tier und Umwelt in den Blick. Entsprechend wird sich in Forschung und Entwicklung eine inter- und transdisziplinäre Zusammenarbeit der Human- und Veterinärmedizin mit der Biologie, der Umweltforschung, den Agrarwissenschaften, der Lebensmitteltechnik und dem öffentlichen Gesundheitsdienst, dem Veterinärwesen und den Umweltämtern etablieren.

 Im Zuge dieser gemeinsamen Forschungsvereinbarung etablierte das BMBF 2007 den Förderschwerpunkt „Zoonotische Infektionserkrankungen“. Mit der „Nationalen Forschungsplattform zu zoonotischen Infektionserkrankungen“ und dem „Forschungsnetz Zoonotische Infektionserkrankungen“ folgten weitere strategische Fördermaßnahmen. Deren Ziel ist es, die Prävention, Diagnose und Therapie zoonotischer Erkrankungen langfristig zu verbessern. Ein weiteres Ziel ist die Entwicklung konkreter Handlungsempfehlungen für den öffentlichen Gesundheitsdienst und das Veterinärwesen. Von diesen sollen Bürgerinnen und Bürger direkt profitieren. Die Erforschung von Coronaviren ist seit Beginn Bestandteil dieser Förderung.

Forschungsprojekte zu Zoonosen und die Erforschung von Coronaviren

Coronaviren sind Teil der Zoonosen-Forschung des BMBF. Insbesondere zwei interdisziplinäre Verbundvorhaben haben Coronaviren vertieft erforscht: Der Verbund „Ökologie und Pathogenese von SARS“ (2007–2014) und seit 2017 der hierauf aufbauende Verbund „RAPID“. Koordinator der Verbünde ist der Virologe Professor Dr. Christian Drosten (Charité – Universitätsmedizin Berlin).

Verbund „Ökologie und Pathogenese von SARS“

Im Förderschwerpunkt „Zoonotische Infektionserkrankungen“ erforschte der Verbund „Ökologie und Pathogenese von SARS“ das SARS-Coronavirus-1 und die von dem Virus ausgelöste Lungenkrankheit SARS. Er lieferte zudem entscheidende Forschungsbeiträge zum MERS-Coronavirus, das während der Projektlaufzeit erstmals auftrat. Das BMBF hat für dieses Vorhaben insgesamt 5,6 Millionen Euro bereitgestellt.
Lesen Sie mehr: SARS-CoV-1: Relevante Erkenntnisse für die SARS-CoV-2-Pandemie

Verbund „RAPID – Risikobewertung bei präpandemischen respiratorischen Infektionserkrankungen“

Mit Erneuerung der Forschungsvereinbarung 2016 etablierte das BMBF das „Forschungsnetz Zoonotische Infektionserkrankungen“, das die Erforschung auch von Coronaviren fortsetzt. Teil dieses Netzwerks ist der Verbund „RAPID – Risikobewertung bei präpandemischen respiratorischen Infektionserkrankungen“, der das Potenzial von Coronaviren für pandemische Ausbrüche erforscht. RAPID ist eines von sieben Verbundvorhaben und wird seit 2017 mit rund 2,9 Millionen Euro gefördert.
Lesen Sie mehr: MERS-CoV und COVID-19: BMBF-Verbund RAPID liefert entscheidende Beiträge

Erforschung von Coronaviren im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung

Seit 2012 werden Infektionskrankheiten im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) erforscht. Das DZIF vereinigt Aktivitäten von bundesweit über 500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus 35 Institutionen und wird als eines der Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung durch das BMBF und die beteiligten Bundesländer gefördert.

In drei Schwerpunkten widmet sich das DZIF der Erforschung neu auftretender Infektionserkrankungen und deren Folgen für den Menschen. Hierzu zählen auch Erkrankungen, die durch Coronaviren ausgelöst werden.

Schwerpunkte des DZIF, in denen Coronaviren erforscht werden

Identifizierung von unbekannten Pathogenen und Ausbruchs-Management

Ziel ist es, Methoden für eine schnelle Bestimmung neuer Krankheitserreger zu entwickeln. Dabei werden die Viren genetisch genau beschrieben und ihre Verbreitungs- und Übertragungswege identifiziert. Coronaviren sind Teil des Forschungsspektrums.

Entwicklung von Impfstoffen

In diesem Schwerpunkt wird eine Plattform zur Testung neuer Impfstoffe aufgebaut. Für das MERS-Coronavirus wurde bereits ein Impfstoffkandidat identifiziert und klinisch getestet.

Entwicklung von antiviralen Medikamenten mit Breitbandwirkung

Weil sich Viren schnell verändern können, ist nicht vorhersagbar, wie ein Virus beschaffen sein wird, das künftige Krankheitsausbrüche auslöst. Daher forschen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an antiviralen Substanzen, die auch gegen bislang unbekannte Viren eingesetzt werden könnten.
Weitere Informationen unter: https://www.dzif.de/de/neu-auftretende-infektionskrankheiten

Internationale Initiativen: Forschung über Ländergrenzen hinweg

Auf internationaler Ebene beteiligt sich das BMBF seit 2017 an der „Coalition for Epidemic Preparedness Innovations“ (CEPI). Ziel dieser Initiative ist es, Impfstoffe gegen Erreger zu entwickeln, die ein hohes Potenzial für Epidemien und Pandemien besitzen und weltweit Krankheitsausbrüche auslösen könnten.

Außerdem ist das BMBF Gründungsmitglied der 2013 ins Leben gerufenen „Global Research Collaboration for Infectious Disease Preparedness” (GloPID-R). Diese Initiative vereinigt internationale Forschungsförderer, um im Falle von Epidemien schnell und unkompliziert konzertierte Forschungsantworten initiieren zu können. GloPID-R hat in Reaktion auf die SARS-CoV-2-Pandemie in kurzer Zeit Forschungsprioritäten definiert, auf denen nationale wie internationale Förderprogramme aufbauen. Auch ermöglicht GloPID-R beispielsweise einen Überblick über Förderprogramme und Forschungsprojekte der teilnehmenden Länder zu COVID-19.

((aktualisiert im Oktober 2022

Ergebnisse der Gesundheitsforschung

Dromedare werden in den arabischen Ländern unter anderem für den Rennsport gehalten. Mit MERS infizierte Tiere leiden häufig nur unter einem harmlosen Schnupfen. Wenn sich der Mensch infiziert, kann es zu schweren Lungenerkrankungen kommen.

Ausbreitung von gefährlichen Viruserkrankungen verhindern

Das Middle East Respiratory Syndrome (MERS) ist eine schwere Lungenerkrankung, die von einem Virus – dem MERS-Coronavirus – ausgelöst wird.

 Am MERS-Coronavirus erkranken nicht nur junge Dromedare. Bei Menschen verursacht das Virus schwere Atemwegserkrankungen.

MERS-Coronavirus: Erster Impfstoff wird klinisch geprüft

2018 startete im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung die klinische Prüfung eines Impfstoffes.

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