Das Coronavirus SARS-CoV-2 hat die Gesundheitssysteme weltweit vor bislang ungekannte Herausforderungen gestellt. Dies zeigt: Die Bekämpfung von Infektionskrankheiten ist nach wie vor von besonderer gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Bedeutung.
Das neue SARS-Coronavirus-2 unter dem Elektronenmikroskop (Maßstab: 100 nm).
Robert Koch-Institut
Ohne zügiges und kontinuierliches Gegensteuern haben Infektionen das Potenzial, für die Menschheit eine immer größere Bedrohung zu werden. Im Fall einer Epidemie sind vor allem unmittelbares medizinisches Handeln und enge Überwachung nötig, um eine weitere Verbreitung zu verhindern. Benötigt wird aber ebenfalls eine unmittelbar einsetzende epidemiologische Forschung, die Verbreitungswege aufzeigt, Kontaktpersonen von Erkrankten ermittelt und so wichtige Daten für den gezielten Einsatz von Gesundheitsinterventionen liefert. Das hat die SARS-CoV-2-Pandemie eindrücklich gezeigt.
Das Netzwerk Universitätsmedizin (NUM) wurde im April 2020 als Reaktion auf die SARS-CoV-2- Pandemie etabliert. Alle 36 Universitätskliniken in Deutschland sind dem Netzwerk beigetreten, das von der Charité – Universitätsmedizin Berlin koordiniert wird. Ziel war es zunächst, die Kompetenzen und Ressourcen zu bündeln, um eine möglichst optimale Versorgung der COVID-19-Erkrankten sicherzustellen. Mittelfristig ist eine Öffnung des NUM zu anderen Forschungsthemen mit besonderer Relevanz für die Gesundheitsversorgung in Deutschland vorgesehen, um unter anderem besser für zukünftige Pandemien vorbereitet zu sein.
Um einschätzen zu können, wie sich eine Pandemie entwickeln wird, sind mathematische Modellrechnungen sehr wichtig. Das BMBF stärkt diese Kompetenz unter anderem mit dem Modellierungsnetz für schwere Infektionskrankheiten (MONID). Ziel ist es, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit dem Forschungsschwerpunkt Modellierung untereinander zu vernetzen sowie die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit relevanten Fachdisziplinen wie Virologie und Epidemiologie zu intensivieren.
Nationale und internationale Zusammenarbeit
Die weltweite Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 hat deutlich gemacht, dass die Infektionsforschung vielfältigen Anforderungen genügen muss. Die Wirkstoff- und Impfstoffentwicklung gegen noch nicht (hinreichend) behandelbare Erreger, der Kampf gegen antimikrobielle Resistenzen und die weitere Erforschung zoonotischer Infektionskrankheiten müssen verstärkt mit der Forschung zur Ausbruchsprävention und -bekämpfung sowie der Implementierungsforschung Hand in Hand gehen. Um mit den vorhandenen Ressourcen die bestmöglichen Erfolge zu erzielen, sind interdisziplinäre Kooperationen sowohl auf nationaler Ebene als auch in internationaler Zusammenarbeit zentral.
Das vom BMBF gegründete Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) vereinigt Aktivitäten von Hochschulen, Ressortforschungseinrichtungen des Bundes und außeruniversitären Instituten unter einem Dach. So können groß angelegte Infektionsforschungsprojekte gemeinsam effektiv durchgeführt werden. Das Zentrum widmet sich innerhalb von sieben Schwerpunkten der Infektionsforschung, wie zum Beispiel auch der Forschung zu antimikrobiellen Resistenzen in mehreren Abteilungen. Im Bereich der vernachlässigten und armutsassoziierten Krankheiten wird an Malaria, AIDS und Tuberkulose geforscht. Gemeinsam mit afrikanischen Partnerinstituten baut das DZIF in Afrika Forschungskapazitäten auf, die für den Kampf gegen diese Krankheiten und bei Ausbrüchen von Infektionen wie Ebola wichtig sind.
Einer der maßgeblichen Akteure zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten ist die 2017 gegründete internationale Impfstoff-Initiative Coalition for Epidemic Preparedness Innovations (CEPI), die weltweit Projekte zur Entwicklung von Impfstoffen gegen Erreger mit hohem pandemischen Potenzial fördert und koordiniert. CEPI ist eine öffentlich-private Partnerschaft, in der sowohl staatliche Förderer als auch Stiftungen, Forschungseinrichtungen und Pharma-Unternehmen zusammenarbeiten. Deutschland ist Gründungsmitglied und einer der größten Fördermittelgeber.
Die Global Research Collaboration for Infectious Disease Preparedness (GloPID-R) ist ebenfalls eine Plattform, in der sich internationale Forschungsförderer zusammengefunden haben, um im Falle einer Epidemie schnell und unkompliziert Forschungsantworten initiieren zu können. So sollen im Ausbruchsfall die exzellenten Forschungsinstitutionen informiert und schnell und in einer konzertierten Weise die relevanten Forschungsfragen adressieren können.
Der globalen Bedrohung durch antimikrobielle Resistenzen widmet sich eine europäische Initiative der gemeinsamen Programmplanung (JPI): Die Joint Programming Initiative on Antimicrobial Resistance (JPIAMR) verknüpft Forschungsansätze zur Bekämpfung von antimikrobiellen Resistenzen. Die Zusammenarbeit soll ab 2025 in einer europäischen Partnerschaft zu One Health/AMR fortgesetzt werden.
Die Produktentwicklungspartnerschaft Global Antibiotic Research & Development Partnership (GARDP) beschäftigt sich mit Innovationen für Krankheiten mit antimikrobiellen Resistenzen vor allem im Bereich der öffentlichen Gesundheit.
Mit der Gründung des Global Antimicrobial Resistance Research and Development Hub (Global AMR R&D Hub), einer internationalen Plattform zur Forschungskoordination und -intensivierung, wurde zudem die Forschung zu antimikrobiellen Resistenzen auf eine globale Ebene gehoben. Der Global AMR R&D Hub bringt Regierungen und große Fördermittelgeber unterschiedlicher Weltregionen zusammen, um sich auf politischer Ebene zum Thema Forschung und Entwicklung zu antimikrobiellen Resistenzen gegenseitig zu informieren und zu koordinieren.
Die Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie, kurz DART, wurde 2008 von der Bundesregierung beschlossen. Im April 2023 ist die nunmehr zweite Folgestrategie „DART 2030“ veröffentlicht worden. Sie stellt die zu erreichenden Ziele und Ansatzpunkte bei der Bekämpfung von antimikrobiellen Resistenzen dar - unter Berücksichtigung des One Health-Ansatzes.
DART 2030
One Health: Forschung berücksichtigt Human- und Veterinärmedizin sowie Umweltaspekte
Gerade aber auch in den Zeiten zwischen Krankheitsausbrüchen ist Forschung unerlässlich. Denn dann müssen die Weichen für die Verhinderung oder Begrenzung der nächsten Ausbrüche gestellt werden. Es gilt, dringend benötigte Arzneimittel und diagnostische Werkzeuge weiterzuentwickeln und die Faktoren in Umwelt und Gesellschaft zu untersuchen, die Ausbrüchen Vorschub leisten. So werden beispielsweise im Rahmen der zivilen Sicherheitsforschung effektive und schnellere Detektionssysteme entwickelt, die dazu beitragen, die Ausbreitung gefährlicher Substanzen in Trinkwasser und Lebensmitteln und damit die Verbreitung von Krankheiten zu verhindern. Insgesamt ist eine verstärkte interdisziplinäre Zusammenarbeit von Human- und Veterinärmedizin sowie Umwelt- und weiteren Naturwissenschaften im Sinne des One Health-Ansatzes notwendig.
Etwa zwei Drittel aller Infektionskrankheiten sind sogenannte „Zoonosen“, das heißt Infektionskrankheiten, die von Erregern verursacht werden, die wechselseitig zwischen Tieren und Menschen übertragbar sind. Oft werden Infektionskrankheiten durch Insekten, wie Stechmücken, übertragen, die aufgrund der Klimaänderungen auch schon in Deutschland nachgewiesen werden konnten. Die Erforschung von Zoonosen dient dem Gesundheitsschutz von Mensch und Tier und ist daher von besonderer gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Bedeutung.
Das „Nationale Forschungsnetz zoonotische Infektionskrankheiten“ vernetzt Forschungsverbünde, Nachwuchsgruppen und Einzelprojekte, die zwischen Tieren und Menschen übertragbare Krankheiten erforschen. Die Vernetzung der Forschenden auch mit Praktikerinnen und Praktikern aus dem Öffentlichen Gesundheitsdienst und dem Veterinärwesen trägt auch dazu bei, plötzliche Krankheitsausbrüche durch Notfallmaßnahmen künftig schneller beherrschen zu können.
Als übergeordnete Struktur für die Zoonosenforschung führt die Nationale Forschungsplattform für Zoonosen die Zoonosenforscherinnen und -forscher in Deutschland zusammen. Eine gemeinsame Forschungsvereinbarung, für die sich im Jahr 2022 sechs Bundesministerien zusammengeschlossen haben, hat unter anderem die Weiterentwicklung dieser Plattform zu einer Forschungsplattform zu One Health eingeleitet. Im institutionellen Bereich wurde das Helmholtz-Zentrum für One Health (HIOH) in Greifswald gegründet. Das Institut ist eng vernetzt mit seinen lokalen Gründungspartnern: der Universität sowie der Universitätsmedizin Greifswald und dem Friedrich-Loeffler-Institut. Das HIOH wird sich mit der Bedrohung durch das Auftreten neuartiger Krankheitserreger sowie mit der Veränderung bekannter Krankheitserreger, einschließlich deren antimikrobieller Resistenzen (AMR), befassen. Das HIOH wird einen umfassenden Forschungsansatz verfolgen, der auch die integrierte Überwachung und Verbesserung der Gesundheit von Mensch und Tier sowie von Umwelt- und Klimafaktoren umfasst.
Wissenschaftlichen Nachwuchs in der Infektionsforschung stärken
Um Erkenntnisse zur Prävention und Behandlung von Infektionskrankheiten zu generieren und Innovationen für die klinische Praxis zu entwickeln, muss die wissenschaftliche Basis in Deutschland in der Infektionsforschung gestärkt werden. Zu diesem Ziel fördert das BMBF den Karriereweg qualifizierter Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler in der klinischen und anwendungsorientierten Infektionsforschung. Die Förderung von Nachwuchsgruppen in der Infektionsforschung soll dem besonders geeigneten wissenschaftlichen Nachwuchs die Möglichkeit geben, sich im Wissenschaftssystem zu etablieren und dazu beitragen, die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern in der Infektionsforschung zu stärken.