Die sorgfältige Planung klinischer Studien legt den Grundstein für aussagekräftige Ergebnisse. Dennoch: Interpretationsspielräume bleiben. Eine seriöse Auswertung der Studienergebnisse muss daher klar definierten Regeln folgen.
Klinische Studien bieten keine absoluten Wahrheiten. Ihre Ergebnisse sind das Resultat statistischer Analysen. Die Studien werden in aller Regel so konzipiert, dass ihre Ergebnisse nur mit einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit – weniger als fünf Prozent – zufällig sind. Diese fünf Prozent bilden das so genannte Signifikanzniveau.
Was heißt das konkret? Eine neue Behandlung wird in einer kontrollierten klinischen Studie erprobt. Dabei schneidet die Behandlungsgruppe „signifikant“ besser ab als die Kontrollgruppe. Damit ist die Wahrscheinlichkeit, dass das bessere Abschneiden der Behandlungsgruppe rein zufällig ist, kleiner als fünf Prozent.
Die Endpunkte einer Studie exakt definieren
Neben der Signifikanz ist der Begriff des „Endpunktes“ einer Studie wichtig. Der Endpunkt einer Studie beschreibt das, was genau untersucht wird. Bluthochdruck beispielsweise kann zu Nierenschäden führen. In einer Bluthochdruckstudie könnte deswegen untersucht werden, ob „Medikament A“ Nierenschäden besser verhindert als „Medikament B“. Das Auftreten von Nierenschäden wäre in diesem Beispiel ein Endpunkt. In der Regel haben klinische Studien mehrere Endpunkte.
Die Endpunkte einer Studie gut zu definieren ist sehr wichtig. Denn nur zu diesen Endpunkten sind statistisch belastbare Aussagen möglich. Das Entscheidende ist: Die Endpunkte einer Studie und auch die Methoden der späteren Auswertung der Daten müssen schon vor dem Beginn der Studie, also in der Planungsphase, genau festgelegt werden.
Im genannten Beispiel könnte das Ergebnis einer Studie sein, dass Nierenschäden bei „Medikament A“ und „Medikament B“ gleich häufig auftreten. Da Nierenschäden von Anfang an ein Endpunkt der Studie waren, trifft diese Aussage mit sehr geringer Fehlerwahrscheinlichkeit zu. Wenn sich aber im Nachhinein herausstellt, dass in Gruppe A mehrere Teilnehmende an Darmkrebs erkrankten, in Gruppe B dagegen keine, dann erlaubt das zunächst keine Aussage darüber, ob Medikament B Darmkrebs verhindert. Denn das Auftreten von Darmkrebs war kein vorab definierter Endpunkt. In einer zweiten Studie kann die Wissenschaft – bei Anpassung des Endpunktes – dem Befund dann jedoch gezielt nachgehen.
Metaanalysen: Viele Studien belegen mehr als eine!
Klinische Studien liefern keine endgültigen Wahrheiten, sondern Wahrscheinlichkeiten. Weisen die Ergebnisse mehrerer Studien in dieselbe Richtung, ist ihre Aussage belastbarer als die einer Einzelstudie. Mithilfe so genannter Metaanalysen können viele Studien zur selben Fragestellung ausgewertet werden. Bei der Metaanalyse handelt es sich um ein statistisches Verfahren, das genauen Regeln folgt.
Weltweit gibt es täglich so viele Veröffentlichungen, dass Medizinerinnen und Mediziner allein nicht in der Lage sind, auf dem aktuellen Stand zu bleiben. Damit Patientinnen und Patienten bestmöglich behandelt werden können, nutzt die evidenzbasierte Medizin alle relevanten Informationen aus der medizinischen Literatur, etwa Daten aus klinischen Studien oder systematisch zusammengetragene Erfahrungswerte aus der klinischen Praxis.
Im Mittelpunkt steht dabei immer die Frage: Welche Versorgung ist für eine Patientin oder einen Patienten am besten geeignet? Expertinnen und Experten, die sich in evidenzbasierter Medizin engagieren, haben daher Kriterien festgelegt, die eine verlässliche Bewertung der aktuellen Datenlage zu bestimmten Behandlungen ermöglichen.
Grenzen der Statistik
Klinische Studien sind wichtig für den Nachweis der Wirksamkeit und der Sicherheit medizinischer Behandlungen. Sie beantworten aber nicht alle Fragen. Deshalb untersuchen klinische Studien in der Regel sehr genau definierte Studienpopulationen. Alte Menschen, Menschen mit vielen Begleiterkrankungen oder auch Kinder werden dabei jedoch oft nicht berücksichtigt. Auf diese Gruppen sind die Ergebnisse vieler Studien daher – wenn überhaupt – nur mit Einschränkungen übertragbar.
Wichtig ist auch die Unterscheidung zwischen Gruppe und Einzelperson: Wenn ein Medikament in einer klinischen Studie statistisch betrachtet keinen Effekt hat, dann heißt das nicht zwangsläufig, dass es im Einzelfall auch wirkungslos ist. Umgekehrt wirkt nicht jedes Medikament, das in einer klinischen Studie effektiv war, zwangsläufig in jedem Einzelfall. Evidenz durch Forschung und ärztliche Erfahrung müssen also zusammenwirken, um eine gute Behandlung der Patientinnen und Patienten zu ermöglichen.