16.02.2022

Aktuelle Meldung

Milder Verlauf, späte Folgen: Forschende untersuchen Long-COVID bei Kindern

Nach einer COVID-19-Infektion zeigen Kinder und Jugendliche meist nur milde oder keine Symptome, doch können auch sie an Spätfolgen leiden. Genaue Daten hierzu fehlen ebenso wie Therapieleitlinien. Der Forschungsverbund LongCOCid will dies ändern.

Mutter hält erschöpftes Kind auf dem Schoß.

Oft stellt sich erst im Nachhinein heraus, dass Kinder COVID-19 hatten: Sie können unter den typischen Spätfolgen wie einer starken Erschöpfung aber genauso leiden wie andere Betroffene nach einer Infektion mit SARS-CoV-2.

DLR Projektträger / BMBF

Bis zum Februar 2022 wurden in Deutschland mehr als 3.000 Kinder und Jugendliche mit einer COVID-19-Erkrankung stationär im Krankenhaus behandelt. Aber auch bei Kindern, bei denen die Erkrankung nur mit milden Symptomen verlief, können nach Überwindung der akuten Infektion typische Spätfolgen auftreten. Nicht anders als bei Erwachsenen zählen dazu eine verminderte Belastbarkeit, chronische Müdigkeit oder Konzentrationsstörungen und Schmerzen. Genaue Daten dazu fehlen jedoch, ebenso wie diagnostische und therapeutische Leitlinien oder besondere Rehabilitationsprogramme für Kinder und Jugendliche. Ein Forschungsverbund am Universitätsklinikum Jena, der Technischen Universität Ilmenau und der Universität Magdeburg widmet sich speziell dieser Altersgruppe.

Multidisziplinärer Forschungsansatz soll umfassendes Bild erlauben

„Wir wollen zunächst ein umfassendes Bild der Erkrankung erhalten und katalogisieren dazu in unserer Long-COVID-Ambulanz systematisch die Beschwerdesymptomatik“, sagt Dr. Daniel Vilser. Der Kinderkardiologe und Oberarzt in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Jena koordiniert den Verbund LongCOCid; unter seiner Federführung arbeiten die Forschenden mit niedergelassenen Kinderärztinnen und -ärzten zusammen.

Sie vergleichen die Krankheitslast von Kindern nach einer SARS-CoV-2-Infektion mit der von Kindern, die an einer anderen Infektion erkrankt waren und werten die Ergebnisse bildgebender und funktioneller Organuntersuchungen bei Long-COVID-Erkrankten aus, wie zum Beispiel Ultraschalluntersuchungen von Herz und Lunge. Weiterhin wird die Leistungsfähigkeit der jungen Patientinnen und Patienten mit Hilfe von Belastungstests gemessen. Dabei kommen auch neue innovative in Jena entwickelte Verfahren wie die dynamische retinale Gefäßanalyse zum Einsatz. Mit diesem nicht-invasiven Verfahren wollen die Forschenden die Gefäße am Augenhintergrund mit einem speziellen Flickerlicht untersuchen, um aus der Reaktion auf diese Provokation auf den Zustand der Blutgefäße in anderen Bereichen des Körpers schließen zu können.

Im Blut selbst werden zudem immunologische Marker und Stoffwechselprodukte erfasst, die auf Entzündungsprozesse oder neuronale Schäden hinweisen könnten. Über diese immunologischen Veränderungen wollen die Forschenden zum Beispiel herausfinden, ob Kinder und Jugendliche mit Long-COVID besonders gefährdet sind, Autoimmunerkrankungen oder Allergien zu entwickeln. „Wir gehen davon aus, dass durch die Verknüpfung unserer Daten mit allen Daten des Konsortiums Biomarker identifiziert werden können, die zur Diagnose von Long-COVID und zur Vorhersage des langfristigen Krankheitsverlaufs beitragen“, erläutert Prof. Dr. Monika Brunner-Weinzierl, Leiterin der Experimentellen Pädiatrie der Universitätsmedizin Magdeburg und verantwortlich für ein Teilprojekt des Vorhabens.

Auch der Leiter des Teilprojekts an der TU Ilmenau ist zuversichtlich, dass die gewonnenen Erkenntnisse helfen werden, wirksame Behandlungen und speziell auf Kinder und Jugendliche zugeschnittene Rehabilitationsprogramme zu entwickeln. „Besonders der multidisziplinäre Ansatz des LongCOCid-Projekts ist ideal geeignet, die bisher bekannten Krankheitsfaktoren verbunden zu betrachten“, sagt Prof. Sascha Klee, Leiter des Fachgebiets Optoelektrophysiologische Medizintechnik.

Informationen zum Verbundvorhaben LongCOCid – Long COVID-19 bei Kindern

Förderschwerpunkt:
Forschungsvorhaben zu Spätsymptomen von COVID-19 (Long-COVID)

Fördersumme: 249.000 Euro

Förderzeitraum: 01.01.2022–31.12.2022

Verbundleitung:
Dr. med. Daniel Vilser
Universitätsklinikum Jena
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
Am Klinikum 1
07747 Jena
+49 3641 9329578
daniel.vilser@med.uni-jena.de

Verbundpartner:
Prof. Dr.-Ing. Sascha Klee, Technische Universität Ilmenau, Institut für Biomedizinische Technik und Informatik
Prof. Dr. Monika Brunner-Weinzierl, Universitätsklinikum Magdeburg, Bereich Experimentelle Pädiatrie und Neonatologie, Pädiatrische Immunologie

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert die Erforschung der Spätsymptome von COVID-19 (Long-COVID) im Rahmen einer im Mai 2021 veröffentlichten Förderbekanntmachung. Der Förderaufruf richtete sich an interdisziplinäre Forschungsverbünde; insgesamt sind hierfür bis zum Jahr 2024 bis zu 6,5 Millionen Euro vorgesehen. Die Maßnahme zielt darauf ab, den verfügbaren wissenschaftlichen Kenntnisstand möglichst zeitnah zu erschließen, weiterzuentwickeln und für die Anwendung in der Praxis zugänglich zu machen. Der Förderschwerpunkt ergänzt die bisherigen Maßnahmen, die sich mit der Erforschung von SARS-CoV-2 / COVID-19 und der Therapie der akuten Erkrankung befassen.
Von besonderem Interesse sind die Auswertung von Patientendaten und Proben bestehender Kohorten, die Charakterisierung der Symptome, die Erforschung der Pathophysiologie sowie die (Weiter-)Entwicklung von diagnostischen und therapeutischen Konzepten sowie von multidisziplinären und multiprofessionellen Versorgungsangeboten.
Mehr Infos: Förderung von Forschungsvorhaben zu Spätsymptomen von COVID-19 (Long-COVID)