16.03.2022

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Pilotstudie: Mit Cortison und Vitamin B gegen Spätfolgen von COVID-19?

Wie können anhaltende Symptome von COVID-19 in der hausärztlichen Praxis behandelt werden? Die Pilotstudie PreVitaCOV untersucht Machbarkeit, Wirksamkeit und Sicherheit einer Therapie von Post-COVID-Betroffenen mit Cortison und/oder B-Vitaminen.

Hände halten ein Glas Wasser und zwei Tabletten.

Eine COVID-19-Erkrankung kann zu verschiedenen langanhaltenden Symptomen führen – wie diese Spätfolgen wirksam in der hausärztlichen Praxis behandelt werden können, wird mit der Pilotstudie PreVitaCOV untersucht.

granata68 / Adobe

Schätzungen zufolge leiden bis zu 15 Prozent aller an COVID-19 erkrankten Menschen auch noch Wochen oder Monate nach einer Infektion unter Spätfolgen: Atembeschwerden, Müdigkeit und Erschöpfung, Kopfschmerzen, Geruchs- und Geschmacksstörungen, kognitive Beeinträchtigungen und depressive Verstimmungen zählen dazu. Die meisten dieser Patientinnen und Patienten werden von Hausärztinnen und Hausärzten versorgt. „Deren Behandlung zielt vor allem darauf ab, Symptome zu lindern und zu verhindern, dass die Beschwerden chronisch werden“, erläutert Professorin Dr. Ildikó Gágyor. Aber: „Für eine wirksame Therapie gegen Post-COVID-19-Symptome gibt es bislang keine wissenschaftlichen Belege.“

Gágyor ist selbst als Hausärztin tätig und außerdem eine der Leiterinnen des Instituts für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Würzburg; sie koordiniert die Pilotstudie PreVitaCOV. Dabei sollen die Machbarkeit einer medikamentösen Therapiestudie in der hausärztlichen Versorgung getestet sowie erste Erkenntnisse zur Wirksamkeit der Medikamente gewonnen werden. Das Verbundvorhaben wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit rund 920.000 Euro gefördert; neben dem Uniklinikum Würzburg sind die Institute für Allgemeinmedizin der Eberhard Karls Universität Tübingen und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und die Klinische Pharmakologie der Medizinischen Hochschule Brandenburg an dem Vorhaben beteiligt.

Entzündungshemmer und Unterstützung des Nervensystems

Die aktuelle Leitlinie zu Post-COVID spricht je nach Zeitraum, in dem Beschwerden bestehen, von „Long-COVID“, wenn Symptome mehr als vier Wochen nach Infektion oder Erkrankung andauern, oder von „Post-COVID-19-Syndrom“, wenn Symptome später als zwölf Wochen noch bestehen oder neu auftreten. Es wird vermutet, dass Post-COVID-19-Symptome durch Gewebeschäden, chronische Entzündungsprozesse und andere bisher unbekannte Faktoren ausgelöst werden. „PreVitaCOV ist eine der ersten medikamentösen Therapiestudien zu den Langzeitsymptomen von COVID-19 überhaupt, sie soll die Machbarkeit einer klinischen Studie zur Untersuchung der Wirksamkeit einer Behandlung mit Cortison sowie den Vitaminen B1, B6 und B12 im hausärztlichen Setting untersuchen“, beschreibt Professorin Dr. Stefanie Joos aus dem Tübinger Studienzentrum.

Nach einer Vorbereitungsphase werden zunächst Hausärztinnen und Hausärzte rekrutiert und geschult, um ihrerseits Betroffene screenen und in die an drei Zentren durchgeführte Studie einschließen zu können. „Vom Sommer 2022 an werden insgesamt 100 Patientinnen und Patienten nach dem Zufallsprinzip in vier Gruppen verteilt und über 28 Tage entweder mit Cortison behandelt, mit einem Vitamin-B Komplex, mit beiden Wirkstoffen oder mit einem Placebo“, so Professorin Dr. Hanna Kaduszkiewicz aus Kiel. Im Abstand von vier und acht Wochen sowie nach sechs Monaten untersuchen die Forschenden, ob sich die spezifischen Symptome verbessert haben.

Erkenntnisse für weitere Forschungsarbeiten

Die Erkenntnisse aus der Pilotstudie sollen zur Planung einer großen randomisierten, kontrollierten Studie genutzt werden, wie sie nach dem Arzneimittelgesetz erforderlich ist. „Der von uns untersuchte Therapieansatz soll vor allem im primärärztlichen Bereich umgesetzt werden, sprich in den Hausarztpraxen“, sagt Gágyor. Verläuft auch die klinische Prüfung der Behandlung erfolgreich, sollen die Erkenntnisse in die Behandlungsempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) einfließen und über das ebenfalls BMBF-geförderte Netzwerk deutscher Forschungspraxen (DESAM-ForNet) verbreitet werden.

Informationen zum Verbundvorhaben PreVitaCOV – eine randomisierte kontrollierte Pilotstudie in der Primärversorgung

Förderschwerpunkt:
Forschungsvorhaben zu Spätsymptomen von COVID-19 (Long-COVID)

Fördersumme: 920.000 Euro

Förderzeitraum: 01.02.2022–31.01.2024

Verbundleitung:
Prof. Dr. med. Ildikó Gágyor
Universitätsklinikum Würzburg
Institut für Allgemeinmedizin
Josef-Schneider-Str. 2
97080 Würzburg
+49 931 201 47800
Gagyor_I@ukw.de

Verbundpartner:
Prof. Dr. med. Stefanie Joos, Eberhard Karls Universität Tübingen, Institut für Allgemeinmedizin und Interprofessionelle Versorgung

Prof. Dr. med. Hanna Kaduszkiewicz, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Institut für Allgemeinmedizin im Universitätsklinikum Schleswig-Holstein

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert die Erforschung der Spätsymptome von COVID-19 (Long-COVID) im Rahmen einer im Mai 2021 veröffentlichten Förderbekanntmachung. Der Förderaufruf richtete sich an interdisziplinäre Forschungsverbünde; insgesamt sind hierfür bis zum Jahr 2024 bis zu 6,5 Millionen Euro vorgesehen. Die Maßnahme zielt darauf ab, den verfügbaren wissenschaftlichen Kenntnisstand möglichst zeitnah zu erschließen, weiterzuentwickeln und für die Anwendung in der Praxis zugänglich zu machen. Der Förderschwerpunkt ergänzt die bisherigen Maßnahmen, die sich mit der Erforschung von SARS-CoV-2 / COVID-19 und der Therapie der akuten Erkrankung befassen.

Von besonderem Interesse sind die Auswertung von Patientendaten und Proben bestehender Kohorten, die Charakterisierung der Symptome, die Erforschung der Pathophysiologie sowie die (Weiter-)Entwicklung von diagnostischen und therapeutischen Konzepten sowie von multidisziplinären und multiprofessionellen Versorgungsangeboten.

Mehr Infos: Förderung von Forschungsvorhaben zu Spätsymptomen von COVID-19 (Long-COVID)