31.08.2022

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Spurensuche im Virusgenom

Kleine genetische Veränderungen im Virusgenom können dafür verantwortlich sein, dass antivirale Medikamente manchmal nicht mehr wirken. Forschende entwickeln ein Analyseverfahren, damit diese Veränderungen zukünftig in Therapieentscheidungen einfließen können.

Mithilfe des neu entwickelten Verfahrens vergleichen die Forschenden die genetischen Informationen der Viren, um Muster zu identifizieren die Therapieversagen erklären können.

Mithilfe des neu entwickelten Verfahrens vergleichen die Forschenden die genetischen Informationen der Viren, um Muster zu identifizieren die Therapieversagen erklären können.

Dr. Daniel Todt

Warum wirken Medikamente gegen Virusinfektionen bei einigen Erkrankten gut und bei anderen nicht? Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Forschungsprojektes VirBio suchen im Genom von Viren nach Antworten auf diese Frage. Dafür entwickeln sie ein bioinformatisches Verfahren, mit dem sie kleine Unterschiede im Virusgenom genau charakterisieren und bestimmten Untergruppen zuordnen können.

Biomedizinische Datenschätze auswerten

Die dafür benötigten Daten gibt es bereits. Denn dank neuer Technologien in der biomedizinischen und klinischen Forschung kann das Erbgut von Viren heute innerhalb kurzer Zeit entschlüsselt werden. Bislang mangelt es allerdings an computergestützten Verfahren, um diese Datenflut auch auswerten und analysieren zu können. „Wir wollen mit Methoden der Virusinformatik und mittels künstlicher Intelligenz die vorhandenen Datensätze auswerten und so herausfinden, ob kleine genetische Unterschiede im Virusgenom die Ursache dafür sind, dass Medikamente manchmal wirken und manchmal nicht“, erklärt Dr. Daniel Todt. Der Virologe leitet das Forschungsprojekt VirBio, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) über fünf Jahre gefördert wird. Ziel der Forschenden ist es, dass das entwickelte Verfahren zukünftig in ärztlichen Praxen und Kliniken eingesetzt werden kann. Krankheits- und Therapieverläufe können sich manchmal stark unterscheiden, je nachdem welche Untergruppe von Viren für die Krankheit verantwortlich ist. Wenn vor Ort die Virus-Untergruppe bestimmt werden könnte, dann ließe sich auch die Behandlung entsprechend individueller und damit wirkungsvoller ausrichten.

Zunächst beschränken die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Arbeit auf das Hepatitis-E-Virus und seine Untergruppen. Im Erfolgsfall ließe sich das entwickelte Verfahren aber möglicherweise auch auf andere Virus-Untergruppen übertragen.

Das Hepatitis-E-Virus

Etwa drei Millionen Menschen infizieren sich jährlich mit dem Hepatitis-E-Virus, rund 70.000 von ihnen sterben daran. In den Industrieländern wird das Virus zumeist über verunreinigte Lebensmittel insbesondere über Schweinefleischerzeugnisse übertragen. In vielen Ländern ist eine Infektion aber auch über das Trinkwasser möglich. Das Hepatitis-E-Virus ruft eine akute Leberentzündung hervor, die häufig von alleine und folgenlos ausheilt. Für immungeschwächte Menschen, Menschen mit einer Leberschädigung oder Schwangere kann die Infektion allerdings gefährlich werden.

In einem weiteren Teilprojekt beschäftigen sich die Forschenden mit dem Erfolg von Lebertransplantationen. Sie suchen in Leberbiopsien nach genetischen Spuren von Viren, die auf eine bislang unerkannte Infektion hinweisen. Denn eine solche Infektion könnte die Ursache dafür sein, dass der Körper das Transplantat bei einigen Patientinnen und Patienten abstößt.

Die Evolution von Viren verstehen

Die Analysen der Forschenden sollen aber auch dazu beitragen, die Evolution von Viren und ihre Wechselwirkung mit den Wirtszellen besser zu verstehen. Warum zum Beispiel Infektionen mit dem Hepatitis-E-Virus in Schweinen fast komplett asymptomatisch sind, in Menschen aber schwere Verläufe nehmen können, untersuchen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einem weiteren Teilprojekt. „Es wird spannend zu sehen, ob hier Wirtszellfaktoren die entscheidende Rolle spielen oder Anpassungen des Virus an die jeweilige Umgebung“, freut sich Dr. Todt.

Über die Richtlinie zur Förderung von Nachwuchsgruppen in der Infektionsforschung unterstützt das Bundesministerium für Bildung Forschung (BMBF) das Projekt „Virbio - Einrichtung einer neuen Virusinformatik-Forschungsgruppe im Bereich Infektionsbiologie“ von 2022 bis 2027 mit rund 1,7 Millionen Euro. Ziel der Fördermaßnahme ist es, die Karriere qualifizierter Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler in der klinischen und anwendungsorientierten Infektionsforschung gezielt zu fördern und die wissenschaftliche Basis in der Infektionsforschung in Deutschland zu stärken. Im Mai 2022 startete die zweite Förderphase der Maßnahme.